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Gegenwind für sanfte Revolution
Bündnis sieht Volksantrag für Gemeinschaftsschulen in Sachsen auf gutem Weg
Seit in Sachsen zum letzten Mal ein Volksantrag gestartet wurde, hat es in den kommunalen Amtsstuben viel Kommen und Gehen gegeben. Vor 16 Jahren wurden letztmals Unterschriften gesammelt; damals ging es um die Schließung von Schulen. Zuvor hatte es seit 1990 ganze drei Volksanträge gegeben, von denen nur der von 1999 zu den Sparkassen genügend Zustimmung fand. Viel Übung in der Materie haben Sachsens Kommunalbeamte also nicht, und das mag erklären, warum die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung der Unterschriften, die jetzt für die Einführung von Gemeinschaftsschulen im Freistaat gesammelt werden, so lange dauert: »Zwei bis drei Wochen sind keine Ausnahme«, sagt Burkhard Naumann, Koordinator im Bündnis »Gemeinschaftsschule für Sachsen«.
Vielleicht aber wächst die Übung mit der Menge. Laut einer Zwischenbilanz hatte das Bündnis, das 20 Institutionen vom Landeselternrat über die Gewerkschaft GEW bis zu LINKE, Grünen und SPD unterstützen, Ende November schon 21 180 Unterschriften gesammelt und damit mehr als die Hälfte des gesetzlichen Quorums von 40 000 Unterschriften erfüllt, dessen Erreichen den Landtag verpflichten würde, sich mit dem Anliegen zu befassen. Mit einem zentralen Aktionstag an diesem Freitag will man sich der Hürde weiter nähern: Im gesamten Land soll an Ständen sowie Haus- und Wohnungstüren um Unterschriften geworben werden. Naumann ist zuversichtlich, dass das Ziel »im Januar oder Februar« geschafft sei. Eine vorgeschriebene Frist für den Volksantrag gibt es im Freistaat nicht.
An den Planungen ändert auch der Umstand nichts, dass es jetzt aus einer einwohnerstarken Stadt Gegenwind gibt. Lehrer- und Elternvertreter aus Leipzig warnen vor der Einführung von Gemeinschaftsschulen und raten Bürgern dazu, vor einer Unterschrift »gut zu überlegen«. Die Initiatoren des Volksantrags drohten »die gleichen Fehler zu machen, die in anderen Bundesländern teils zu erheblichen Konflikten, Reformchaos und Absturz im Bildungsmonitor geführt haben«, heißt es.
Naumann kennt die Argumente gut - vorgetragen vom Sächsischen Lehrerverband, der dem Anliegen im Unterschied zur GEW ablehnend gegenübersteht. In Leipzig geht nun allerdings auch der Stadtelternrat auf Distanz, während vergleichbare Gremien in Dresden oder Chemnitz eifrig mitsammeln. Leipzigs Vorsitzende Petra Elias erklärt, wichtiger als die neue Schule sei es, die »Durchlässigkeit der Bildungswege zu erhöhen«.
Der Widerstand erfolgt, obwohl sich die Initiatoren des Volksantrages eine Art sanfter Revolution verordnet haben. Gemeinschaftsschulen, in denen die Kinder nicht nach Klasse 4 auf Gymnasium oder Oberschule aufgeteilt werden, soll es nur dort geben, wo die Schulkonferenz aus Schülern, Eltern und Lehrern sowie der Schulträger, also die Kommune, das wünschen. Dass es Bedarf gibt, liest man aus Umfragen heraus, denen zufolge zwei Drittel der Sachsen längeres gemeinsames Lernen befürworten. Die Landesregierung stellt sich aber quer. Zwar wurden 2004, als die CDU erstmals eine Koalition mit der SPD einging, neun Modellversuche bewilligt. Sie hätten sich auch bewährt, sagt Wolfgang Melzer, Schulforscher an der TU Dresden und Erstunterzeichner des Volksantrags. International seien Gemeinschaftsschulen ohnehin Standard. Doch Christian Hartmann, Chef der CDU-Fraktion im Landtag, warnte vor »Experimenten«. In Sachsen stünden »hohe Bildungsqualität und Stabilität« im Mittelpunkt der Schulpolitik; die Gemeinschaftsschule sei »keine sinnvolle Option«.
Das Bündnis will einen Sinneswandel bewirken - wird das jedoch kaum vor der Landtagswahl im September schaffen. Nach Einreichen der mindestens 40 000 Unterschriften im Landtag werden diese auch noch vom dortigen Präsidium geprüft; die Regierung erhält Gelegenheit zur Stellungnahme. Selbst eine erste Lesung des vom Bündnis vorgelegten Gesetzentwurfs vor Ende der Legislatur ist damit ein ehrgeiziges Ziel. »Bis dahin aber wollen wir noch kommen«, sagt Naumann. Allzu sehr sitzt den Organisatoren die Zeit nicht im Nacken: Die weitere Verhandlung in den Ausschüssen und die zweite Lesung können auch im neu gewählten Landtag erfolgen. Zunächst wird am Freitag noch einmal gesammelt - und auch danach. Das Motto »Ihr Kinderlein, kommet all’« gelte, heißt es beim Bündnis, nicht nur zu Weihnachten.
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