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Wiedergutmachung an der Karl-Marx-Allee
Nicolas Šustr über Mieterschutz bei Rot-Rot-Grün
»Marx würde heulen«, steht auf einem der zahllosen Protesttransparente, welche die an die Deutsche Wohnen verkauften Blöcke an der Karl-Marx-Allee in Berlin-Friedrichshain zieren. Vermutlich würde er eher toben. Mieter und Politik gehen wegen des Geschäfts auf die Barrikaden. Der sehr engagierte und kompetente Mieterbeirat treibt Bezirk und Land an - mit konkreten rechtlichen Hinweisen und der klaren Ansage, dass er sich eine Rekommunalisierung der Blöcke wünscht.
Wirklich antreiben muss man den Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) in dieser Frage nicht. »Es geht ja nicht nur um die jetzigen Mieter, die möglicherweise noch relativ gut geschützt sind«, sagt er. »Sondern um den Erhalt bezahlbaren Wohnraums in der Innenstadt.«
Die Opposition tut das als Klientelpolitik zum Schutz einiger weniger Bestandsmieter ab und fordert regelmäßig, das Geld doch lieber in bezahlbaren Neubau zu stecken. Was vielleicht auf den ersten Blick einleuchtend erscheinen mag, aber letztlich nicht stichhaltig ist. Aus mehreren Gründen. Wie in aller Welt sollen in so kurzer Zeit hunderttausende preiswerte Neubauwohnungen entstehen? Es fehlen die Grundstücke, die Bau- und Planungskapazitäten - einfach alles. Zumal die Flächen, wenn sie überhaupt vorhanden sind, tendenziell eher außerhalb der Innenstadt liegen. Rot-Rot-Grün ist nicht dafür gewählt worden, die Verdrängung von Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen aus dem Zentrum einfach so hinzunehmen. Nur wenn der Bestand der 1,6 Millionen Mietwohnungen in der Stadt bezahlbar gehalten werden kann, lässt sich die Gentrifizierung aufhalten. Die schwarz-rote Koalition im Bund fällt als Helfer weitgehend aus. Mit einem vernünftigen Mietrecht müsste sich Berlin längst nicht so verrenken.
Eine Weile schien es auch so, als ob die Finanz-Staatssekretärin Margaretha Sudhof (SPD) im Kampf gegen die Deutsche Wohnen mit der Stadtentwicklungsverwaltung und dem Bezirk nicht an einem Strang ziehen wollte. Sie streute permanent Zweifel an den durchaus komplizierten Rekommunalisierungsplänen. Immerhin soll sie auf die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) eingewirkt haben, damit diese ihr möglicherweise noch bestehendes Vorkaufsrecht oder alternativ jenes persönliche Vorkaufsrecht für alle Mieter vor Gericht geltend macht. Immerhin schien dem Landgericht Berlin die Argumentation so stichhaltig, dass es eine einstweilige Verfügung erließ. Wohn-Staatssekretär Sebastian Scheel (LINKE) freut sich darüber, sieht aber »keine Veranlassung, vom verabredeten Vorgehen abzuweichen«, wie er dem Mieterbeirat schreibt.
Die Deutsche Wohnen kämpft juristisch mit harten Bandagen, hat unter veränderten Konditionen einen weiteren Block übernommen. Inzwischen geht es um rund 900 Wohnungen. Der Senat muss gewinnen. Schließlich war es die Politik, die die Allee einst privatisiert hatte. Es gibt viel wiedergutzumachen.
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