- Politik
- Proteste in Serbien
Wut auf Vucic und blutige Hemden
Demonstranten fordern Ende der politischen Gewalt
Serbiens marginalisierte Opposition im faktischen Einparteienstaat gibt ein Lebenszeichen. Zum dritten Mal in Folge sind in Belgrad am Wochenende Zehntausende dem Aufruf des »Bündnis für Serbien« gefolgt und haben gegen die politische Gewalt, ausufernde Korruption und die Mediengängelung demonstriert. Waren es bei der Premiere am 8. Dezember knapp 10 000 und am Wochenende darauf rund 15 000 Menschen, die über Belgrads eisigen Asphalt marschierten, zogen nach Angaben der Organisatoren nun bereits 35 000 bis 40 000 Demonstranten durch die Innenstadt.
Der allgewaltige Staatschef Aleksandar Vucic spielt die Proteste herunter. »Marschiert soviel Ihr wollt, ich werde Euch keine einzige Forderung erfüllen - auch wenn fünf Millionen von Euch kommen sollten«, verkündete der angesäuerte Chef der rechtspopulistischen Regierungspartei SNS schon nach der Protestpremiere vor zwei Wochen.
Jeden Tag lesen rund 25.000 Menschen unsere Artikel im Internet, schon 2600 Digitalabonennt*innen und über 500 Online-Leser unterstützen uns regelmäßig finanziell. Das ist gut, aber da geht noch mehr! Damit wir weiterhin die Themen recherchieren können, die andere ignorieren und euch interessieren. Hier mitmachen!
Unter dem Motto »Stoppt die blutigen Hemden« hatten nach der brutalen Attacke gegen den Oppositionspolitiker Borko Stefanovic die Proteste begonnen: Maskierte Schläger hatten den Chef der »Linken Serbiens« Ende November vor einer Kundgebung in der Provinzstadt Krusevac aufgelauert und ihn mit Metallstangen krankenhausreif geprügelt.
Seit die von von der ultranationalistischen SRS abgespaltene SNS vor sechs Jahren das Regierungsruder übernommen hat, wird ihr machtbewusster Vormann Vucic im Westen als proeuropäischer Hoffnungsträger für den noch immer fernen Ausgleich mit Kosovo verhätschelt: Schon 2013 wurde die SNS mit tatkräftiger Unterstützung der deutschen CDU in den EVP-Verband von Europas christdemokratischen Schwesterparteien aufgenommen. Doch um Demokratie, Pressefreiheit und Gewaltenteilung scheint es beim EU-Anwärter unter der SNS-Ägide immer schlechter bestellt. Statt des von der EU geforderten Rückzugs des Staates nimmt die Regierungspartei nach ungarischen Vorbild die Medien und Justiz immer stärker in ihren Griff.
Als Zeichen der Stärke des keineswegs homogenen Bündnisses, das von linksliberalen Kräften bis hin zu rechtsklerikalen Nationalisten reicht, ist der wachsende Zulauf laut Ansicht der Zeitung »Blic« indes keineswegs zu werten: Es sei die Wut über Vucic und nicht die Aufrufe der Opposition, die die Demonstranten auf die Straßen treibe.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.