Pallasseum ist in Landeshand

514 Wohnungen in Schöneberg vor Spekulation geschützt / 18 Vorkäufe berlinweit 2018

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Pallasseum, das beeindruckende Betongebirge, das die Schöneberger Pallassstraße überspannt, gehört nun mehrheitlich der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag. 514 Wohnungen und die angesichts der grassierenden Verdrängung von Kiez-Infrastruktur immer wichtiger werdende 16 Gewerbeeinheiten sind nun unter Kontrolle des Landes, wie die Stadtentwicklungsverwaltung am vergangenen Freitag mitteilte.

»Ich freue mich sehr, dass es uns mit der Rekommunalisierung des Pallasseums gelungen ist, einen großen Wohnkomplex in innerstädtischer Lage für den landeseigenen Bestand zu sichern«, erklärt Wohn-Staatssekretär Sebastian Scheel (LINKE). Rund 1500 Bewohner können so langfristig vor Verdrängung geschützt werden.

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Der Komplex, der einst vor allem unter dem Namen Sozialpalast weit über die Grenzen Berlins als sogenannter sozialer Brennpunkt bekannt wurde, steht auf historisch belastetem Grund. Es ist die Fläche, die früher der Sportpalast belegte, in der NS-Reichspropagandaminister Joseph Goebbels 1943 zur Intensivierung des »totalen Kriegs« aufrief.

Das 1976 fertiggestellte Sozialwohnungs-Ensemble war Ende der 1990er Jahre von Leerstand geprägt. Damals forderte der später in den Skandal um die Bankgesellschaft Berlin involvierte CDU-Politiker Klaus-Rüdiger Landowsky den Abriss. Diese Forderung stellte er auch für das Neue Kreuzberger Zentrum am Kottbusser Tor auf, das bereits 2017 von der Gewobag erworben wurde.

Als ein »Symbol für die neue Politik Berlins« bezeichnet Scheel den Kauf der Mehrheit des seit 2018 unter Denkmalschutz stehenden Pallasseums. »Diese sieht vor, den landeseigenen Wohnungsbestand durch den vorausschauenden Erwerb von Immobilien sukzessive zu erweitern, die Sozialwohnungsbestände zu sichern, dämpfend auf die Mietpreisentwicklung einzuwirken und Immobilienspekulation entgegenzuwirken.«

Mit über 60 000 Wohnungen zu Jahresbeginn ist die Gewobag die zweitgrößte der sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen. Mit dem Zukauf verfügt sie allein in Tempelhof-Schöneberg über rund 6600 Wohnungen. »Vor Ort sind wir damit einer der größten Vermieter und können hier langfristig preisgünstige Mieten gewährleisten«, erklärt Vorstandsmitglied Markus Terboven.

Inzwischen liegt auch eine vorläufige Jahresbilanz für die Ausübung von Vorkaufsrechten in Milieuschutzgebieten vor. Insgesamt 18 Mal nahmen 2018 zusammen sechs Bezirke das Recht wahr. Spitzenreiter mit acht Ausübungen war Friedrichshain-Kreuzberg, gleichauf liegen Tempelhof-Schöneberg und Neukölln mit je drei gekauften Häusern. Gegenüber dem Vorjahr mit elf Vorkäufen ist das eine Steigerung um über die Hälfte, die Zahl der Bezirke, die das Vorkaufsrecht anwenden hat, hat sich sogar verdreifacht.

Nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen wurde seit 2015 in Berlin 32 Mal das Vorkaufsrecht ausgeübt, dafür flossen zusammengerechnet 154 Millionen Euro. Ein besonderer Fall wird gerade an der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain vorbereitet, wo die Gewobag Einzelwohnungen erwerben soll, für die es ein individuelles Vorkaufsrecht für die Mieter gibt. Damit soll mindestens eine Sperrminorität von mehr als einem Viertel der Stimmrechte erlangt werden, so dass der ursprüngliche Erwerber, der Konzern Deutsche Wohnen, nicht im Alleingang kostentreibende Modernisierungen durchdrücken kann. Die Zahl der Interessenten scheint nach derzeitigem Stand für dieses Mindestziel auszureichen. Werden mehr als die Hälfte der Stimmrechte in der Wohnungseigentümergemeinschaft erreicht, könnte der Konzern das Engagement ganz aufgeben wollen. Durch eine einstweilige Verfügung liegt der Vorgang derzeit auf Eis.

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