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Spar-an-der-falschen-Stelle-Haushalt
Umstrittener Etatentwurf für die Jahre 2025/26 in den Brandenburger Landtag eingebracht
Finanzpolitik sei der Streit zwischen jenen, die eine Mark haben und zwei Mark ausgeben wollen, und denen, die wissen, dass das nicht gehe. So zitiert Brandenburgs Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) einen Stuttgarter Politiker.
Der Landtag behandelt am Donnerstag in erster Lesung den Entwurf des Doppelhaushalts 2025/26. »Brandenburg lebt über seine Verhältnisse, teilweise jedenfalls«, gesteht Finanzminister Robert Crumbach (BSW). In Zukunft werde man mehr sparen müssen. Der Doppelhaushalt sei nur ein erster Schritt. Aber: »Wir dürfen die Sparschraube auch nicht überdrehen.« In seiner Freizeit schraube er gern an Motorrädern herum und wisse daher, so erzählt Crumbach, nach fest komme lose.
Ausgaben in Höhe von 16,7 Milliarden Euro sind für das laufendende Jahr eingeplant und 17,4 Milliarden Euro für das kommende Jahr. Im ersten Jahr sollen 923 Millionen Euro Kredit aufgenommen werden und im zweiten Jahr 1,2 Milliarden Euro. Den Worten von Crumbach zufolge soll mit dem zur Verfügung stehenden Geld mehr Sinnvolles ermöglicht werden. Die einzelnen Ressorts der Landesregierung dürften durchaus auch mehr Geld ausgeben immer da, wo es notwendig sei. Beispiel dafür ist laut Crumbach die Anhebung der Zahl der Stellen bei der Polizei von 8500 auf 9000. Dass mehr Polizisten gebraucht werden, sei unstrittig, glaubt der Finanzminister.
In manchen Bereichen gebe es keine Chance, weniger Geld auszugeben, auch wenn ein Teil der Opposition das behaupte, sagt Crumbach. Damit spielt er auf den Vorschlag der AfD an, einfach radikal weniger oder gar kein Geld mehr für Flüchtlinge auszugeben – obwohl das Asylrecht vom Bund gemacht und das Land hier keinen Handlungsspielraum hat. Auch Sozialausgaben wie das Wohngeld könne das Land nicht selbstherrlich streichen, erläutert Crumbach.
- Die Schulden des Landes werden sich von 21,3 Milliarden auf 23,5 Milliarden Euro erhöhen.
- 28 Millionen Euro Fördermittel sind für Erkundungen eingeplant, wo das Heizen mit Erdwärme möglich wäre.
- Ausgaben in Höhe von jeweils zwei Milliarden Euro im Jahr sind nicht durch Einnahmen gedeckt. Behoben werden soll dieser Missstand auch mit einer globalen Minderausgabe. Die einzelnen Ministerien müssen dabei noch irgendwo Geld einsparen.
- Für Maßnahmen des Klimaschutzplans sind pro Jahr 3,5 Millionen Euro bereitgestellt worden. Bisher standen dafür nur zwei Millionen zur Verfügung.
- Für die Polizei werden zwei neue Hubschrauber im Wert von je 20 Millionen Euro angeschafft. Die alten dürften irgendwann nicht mehr fliegen, ohne die Triebwerke zu ersetzen. af
»Sicher, es gibt Einschnitte in einigen Bereichen. Das ist unvermeidlich«, gesteht der BSW-Politiker, der sich ein Bild in sein Büro gehängt hat, in dem aus dem klein gedruckten Text des Kommunistischen Manifests das Abbild von Karl Marx und Friedrich Engels entsteht. Die Rahmenbedingungen seien jetzt schlechter als in den »zehn fetten Jahren« zuvor, bedauert Crumbach. Prioritäten zu setzen, sei nicht einfach. Aber das sei verantwortungsvolle Politik. Dennoch sei es »kein Rotstift-Haushalt«.
Die AfD lehnt die Überweisung des Haushaltsentwurfs zur Beratung in die Ausschüsse des Landtags ab. Sie kann es allerdings nicht verhindern, wie Fraktionschef Hans-Christoph Berndt schon vor der Abstimmung klar ist. Darum kündigt er gleich an, seine Partei werde den Etat in den Ausschüssen Punkt für Punkt kritisieren. Berndt stört beispielsweise die Bewilligung von Mitteln für Migrationssozialarbeit und erneuerbare Energien.
»Die wirtschaftliche Lage ist schwierig und von großer Unsicherheit geprägt angesichts der aggressiven Zollpolitik des US-Präsidenten«, sagt SPD-Fraktionschef Björn Lüttmann. »Die Koalition kommt in dieser Zeit ihrer Verantwortung nach und legt einen Haushalt vor, der den Konsolidierungserfordernissen entspricht und notwendige wirtschaftspolitische Impulse setzt.« Der Etat setze Schwerpunkte: »Mehr Polizisten für Sicherheit und eine verlässliche Krankenhausversorgung – trotz aller Sparzwänge.« Lüttmann verrät, dass es Protest in vielen E-Mails schon gebe und noch geben werde.
»Realität ist, dass sich der Anteil des Autoverkehrs in Brandenburg zwischen 2008 und 2023 mit 51 Prozent nicht verändert hat. Eine klimaverträgliche und nachhaltige Mobilität ist mit den bisherigen Maßnahmen und Ressourcen nicht erreichbar«, bedauert Franziska Sperfeld, Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). »Mit dem vorgelegten Haushaltsplan ist ein deutliches Umsteuern nicht erkennbar«, analysiert sie.
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»Auf der bisher kalkulierten Finanzierungsgrundlage können Kommunen, Landkreise und Verkehrsunternehmen schon die jetzt geltenden gesetzlichen Anforderungen an den öffentlichen Verkehr nicht erfüllen«, ergänzt Anna Ducksch, Vizelandeschefin des ökologischen Verkehrsclubs VCD. Ihr zufolge drohen Einschränkungen, anstatt dass mehr Busse und Bahnen fahren, wie es erforderlich wäre.
Und die Kürzungen beim Bau von Radwegen passen nicht zu dem Ziel, dass die Brandenburger in fünf Jahren 20 Prozent ihrer Wege mit dem Rad zurücklegen sollen, kritisiert der Fahrradclub ADFC. Bisher seien es nur zwölf Prozent der Wege. Um den Anteil zu erhöhen, wären 2025 und 2026 jeweils 75 Millionen Euro erforderlich, rechnet der ADFC-Landesvorsitzende Christian Wessel vor.
Derweil beschwert sich Grünen-Landeschefin Andrea Lübcke über Streichungen bei der Wohnraumförderung. Nach Berechnungen der Wohnungsunternehmen wären 400 Millionen Euro jährlich erforderlich. Doch tatsächlich würde die ohnehin nur halb so hohe Summe schlimmstenfalls noch halbiert. Dazu meint Lübcke: »Der Verweis auf Sparzwänge ist ein politisches Ausweichmanöver. Eine verantwortungsvolle Landesregierung erkennt an, dass bezahlbarer Wohnraum ein Grundrecht ist – und handelt entsprechend.« Sparen würde die bei Mietwohnungen bereits angespannte Lage verschärfen.
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