Krokodilstränen
Personalie
Als Spitzenkandidatin hat Katrin Göring-Eckardt alle Ziele verfehlt. Sie wollte mit den Grünen ein zweistelliges Ergebnis erreichen, drittstärkste Kraft im Bundestag werden und ihre Partei in die Regierung führen. Nun sind die Grünen mit 8,9 Prozent der Wählerstimmen und 67 Parlamentssitzen wieder einmal die kleinste Oppositionspartei im Bundestag. Ähnlich enttäuschend schnitt die Partei im Jahr 2013 ab. Auch damals hieß die Spitzenkandidatin Göring-Eckardt.
Konsequenzen musste die gebürtige Thüringerin trotzdem nie fürchten. Intern konnte sie sich stets auf ihre Unterstützer verlassen. Sie wurde in den vergangenen Jahren als Fraktionsvorsitzende bestätigt. Eine weitere Spitzenkandidatur strebt die 52-Jährige aber nicht an. »Beim nächsten Mal machen das andere«, sagte Göring-Eckardt nun den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Wen sie damit meint, ist nicht schwer zu erraten. In der Partei werden derzeit die seit bald einem Jahr amtierenden Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck bejubelt. Die Grünen stehen in bundesweiten Umfragen mittlerweile bei 19 bis 20 Prozent. Auch die Landtagswahlen 2018 in Bayern und Hessen verliefen für die Partei sehr zufriedenstellend.
Vermutlich war es für die Grünen bei den vergangenen Bundestagswahlen ein Nachteil, dass ihre Spitzenkandidaten - Göring-Eckardt bildete das Duo zuerst mit Jürgen Trittin und später mit Cem Özdemir - mit der rot-grünen Regierungszeit in Verbindung gebracht wurden. Damals sorgte Göring-Eckardt als Fraktionschefin dafür, dass die internen Kritiker an Sozialabbau und Agenda 2010 auf Linie gebracht wurden. Als Oppositionspolitikerin war sie in den Folgejahren kaum wiederzuerkennen. Die frühere Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland vergoss so manche Krokodilsträne wegen steigender Kinderarmut und wachsender sozialer Ungleichheit. Andere Grüne können die Rolle der »Mutter Teresa«, wie Trittin seine Parteikollegin einmal ironisch genannt hatte, sicherlich glaubwürdiger spielen als Göring-Eckardt.
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