- Politik
- Anschläge in Bottrop und Essen
Ein rassistischer Anschlag
In Bottrop und Essen ist ein Mann mit seinem Auto in Menschengruppen gefahren. Führende Landespolitiker versprechen nun Aufklärung
Was die Feuerwehr Bottrop am Neujahrsmorgen vermeldete, hörte sich zunächst nicht nach einem ungewöhnlichen Fall an: »Gegen Mitternacht kam es am Berliner Platz zu einem Verkehrsunfall. Hierbei wurde eine Person schwer und vier weitere leicht verletzt. Der Rettungsdienst versorgte die Verletzten und transportierte diese in umliegende Krankenhäuser. Die Polizei hat die Ermittlungen zur Unfallursache aufgenommen.« Ein Unfall in der Silvesternacht. Dies kommt leider sehr oft vor. In zig Berichten von Feuerwehr und Polizei aus dem ganzen Bundesgebiet kann man über solche Fälle lesen.
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Wenige Stunden später folgte dann eine Meldung der Staatsanwaltschaft Essen und der Polizeipräsidien Recklinghausen und Münster, die es in sich hatte. Was in der Nacht in der Bottroper Innenstadt passiert ist, war kein Unfall. Der 50-jährige Andreas N. hat an mehreren Orten in Bottrop und Essen versucht, in Menschengruppen zu fahren. Insgesamt verletzte er dabei acht Menschen an vier verschiedenen Tatorten. Eine 46 Jahre alte Frau aus Syrien schwebte nach der Tat in Lebensgefahr. Sie musste notoperiert werden.
In Essen konnte die Polizei Andreas N. dann schließlich anhalten und festnehmen. Bei seiner Festnahme äußerte er sich rassistisch. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass Andreas N. aus »fremdenfeindlichen« Motiven gehandelt hat.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul begab sich noch am Neujahrsnachmittag gemeinsam mit der Recklinghäuser Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen und dem Bottroper Bürgermeister Bernd Tischler an den Berliner Platz. Reul äußerte sich dort sehr klar zur Tat. Wer an vier verschiedenen Orten in Gruppen von überwiegend ausländischen Menschen fahre, der habe »die klare Absicht zu töten«, sagte der CDU-Politiker. Dass Andreas N. einen »fremdenfeindlichen Impetus« hatte, sei bei den Vernehmungen klar geworden.
Reul äußerte auch sein Mitgefühl mit den Opfern und versprach eine »restlose Aufklärung« der Tat. Bestürzt zeigte sich Bernd Tischler. Eigentlich habe man am Neujahrstag ein Fest zum 100-jährigen Stadtjubiläum feiern wollen, erklärte der Sozialdemokrat. Die Tat schockiere ihn besonders, weil man »in Bottrop wie im Ruhrgebiet ein gutes Miteinander« habe.
Über den in Essen lebenden Täter Andreas N. ist bisher wenig bekannt. Der »Spiegel« meldete unter Berufung auf Ermittlerkreise, er sei wegen einer »schizophrenen Erkrankung« schon einmal in eine geschlossene Einrichtung eingewiesen worden. Außerdem soll er schon längere Zeit arbeitslos sein und alleine leben. Weder beim polizeilichen Staatsschutz noch beim Verfassungsschutz soll es Erkenntnisse über Andreas N. geben.
Dass er in rechte Strukturen eingebunden ist, gilt nach dem derzeitigen Stand als unwahrscheinlich. In Vernehmungen soll N. deutlich gemacht haben, dass seine Tat viel mit persönlicher Unzufriedenheit zu tun gehabt haben soll, für die er Migranten verantwortlich macht. Dabei sollen Sätze gefallen sein wie: »Die nehmen uns hier nur aus.«
Jules El-Khatib, migrationspolitischer Sprecher der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen, forderte mehr als nur die reine Aufklärung der Tat. »Der Mordversuch von Bottrop ist eine Folge des gesellschaftlichen Rechtsrucks. Es bedarf nicht nur einer konsequenten Aufklärung, sondern auch eines Kampfes gegen die Ursachen dieses Anschlags, nämlich den zunehmenden Rassismus«, so El-Khatib.
Für den zunehmenden gesellschaftlichen Rassismus gibt es gerade in Essen prägnante Beispiele. Im Frühjahr 2016 planten Sozialdemokraten im Essener Norden eine Kundgebung gegen Flüchtlingsunterkünfte. Guido Reil, der damals zu den Lautsprechern in der SPD gehörte und für diese Partei acht Jahre Ratsherr im Essener Stadtrat war, ist mittlerweile bei der AfD gelandet und wird höchstwahrscheinlich im Mai für seine Partei ins Europäische Parlament einziehen.
Vor rund einem Jahr sorgte zudem die Essener Tafel für Schlagzeilen, als sie einen Aufnahmestopp für nichtdeutsche Bedürftige verhängte. Diese zwei Debatten dürfte auch der Attentäter von Bottrop und Essen verfolgt haben. Um ein Zeichen gegen den Anschlag zu setzen, wollte das Bündnis »Essen stellt sich quer« am Mittwochabend eine Kundgebung in der Essener Innenstadt abhalten.
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