Mehr weiblichen Zorn bitte

Die wütende Frau als Provokation der männlichen »Anstandswauwaus«: Die Kritik an Rashida Tlaibs »Motherfucker«-Bemerkung zeigt die Doppelstandards für öffentliche Auftritte von Politikern

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 2 Min.

»Wir werden den Motherfucker seines Amtes entheben«, sagte die neue demokratische Kongress-Abgeordnete Rashida Tlaib über US-Präsident Donald Trump am Tag nach ihrer Vereidigung unter ohrenbetäubendem Jubel bei einer linken Veranstaltung. Das Video der Rede und das gewählte Schimpfwort sorgte am Wochenende nicht nur bei rechten Fernsehsendern für Empörung. Auch eher liberale Medien und andere Demokraten kritisierten Tlaibs Wortwahl als nicht angemessen.

Doch warum eigentlich? Die Politik Trumps rechtfertigt die Verwendung eines solchen Schimpfwortes in jedem Fall und auch Trump selber flucht immer wieder öffentlich. Hinter der Reaktion auf Tlaibs Äußerung steht die alte Rollenvorstellung, Frauen müssten in der Öffentlichkeit ausgleichend, beherrscht, ja demütig auftreten. Für die »Anstandswauwaus« im US-Fernsehen - oft weiße Männer - war die Wortwahl der demokratischen Sozialistin und US-Palästinenserin Tlaib natürlich eine Provokation.

Für die gleichen »Experten« im US-Frühstücksfernsehen war es dagegen ein Ausweis von rauer Männerfreundschaft, Ausgebufftheit und authentischer politischer Kultur als South Carolinas republikanischer Senator Lindsey Graham einmal seinen Kollegen Ted Cruz halb anerkennend, halb verärgert einen »miserablen Hundesohn« nannte.

In den sozialen Medien waren die Reaktionen auf Tlaib denn auch vielfach anders: »Sie spricht aus, was alle denken.« Und genau dafür wurde Tlaib von ihrer demokratischen Basis im tief demokratischen Detroit auch gewählt - die Republikaner aggressiv anzugehen. Eigentlich ist es selbstverständlich: Auch Frauen dürfen fluchen, wenn nötig. Mehr weiblichen Zorn bitte!

Das sieht offenbar auch Tlaib so. Entgegen der Kritik und trotz Entschuldigungsforderungen erklärte sie auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: »Ich werde immer gegenüber den Mächtigen die Wahrheit sagen«, versehen mit dem Hashtag #unapologeticallyMe. In einer Erklärung ihres Büros erklärte Tlaibs Sprecher Denzel McCampbell: »Sie wurde gewählt, um den Status Quo in Washington durcheinander zu bringen«. Die Demokratin glaube »in jedem Fall«, dass der Präsident seines Amtes enthoben werden müsse. In einem Meinungsbeitrag für die Detroit Free Press hatte Tlaib vor zwei Tagen erklärt warum.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!