- Politik
- Luxemburg und Liebknecht
«So unterschiedlich die Meinungen auch sind ...»
Das Gedenken in Berlin war und ist Thema für «ND» und «nd» – es unterliegt dem Zeitenwandel und zeigt ihn gleichzeitig. Eine Collage aus Zeitungstexten seit 1949
Gehörtes Geschriebenes - Reden und Zitate
«Wofür Karl L i e b k n e c h t und Rosa L u x e m b u r g kämpften und starben, hat auf einem Viertel der Erde gesiegt. Das marxistisch-leninistische Erbe wird unter der Führung Stalins von Sieg zu Sieg getragen.» (Hermann Matern, 1950)
1871: Am 5. März wird Rosa Luxemburg im polnischen Zamość geboren; am 13. August erblickt Karl Liebknecht in Leipzig das Licht der Welt.
1889 bis 1897: Luxemburg studiert an der Universität Zürich Nationalökonomie und Wirtschaftsgeschichte und macht ihren Doktor mit »magna cum laude«.
1890 bis 1893: Liebknecht studiert Rechtswissenschaften und Nationalökonomie an den Universitäten Leipzig und Berlin und verteidigt 1897 seine Dissertation in Würzburg.
1893: Luxemburg gründet mit Leo Jogiches, Julian Marchlewski und Adolf Warski die Sozialdemokratische Partei des Königreichs Polen.
1898: Luxemburg geht eine Scheinehe mit Gustav Lübeck zum Erwerb der preußischen Staatsbürgerschaft ein, übersiedelt nach Berlin und wird Mitglied der SPD.
1899: Nach dem Studium der Jurisprudenz in Leipzig und Berlin sowie erfolgreichem Referendariat tritt Liebknecht der Anwaltskanzlei seines älteren Bruders Theodor in Berlin bei.
1899: Luxemburg verfasst ihre Streitschrift »Sozialreform oder Revolution?« gegen den Revisionismus von Eduard Bernstein.
1900: Liebknecht wird Mitglied der SPD und im Folgejahr der Berliner Stadtverordnetenversammlung.
1904: Luxemburg polemisiert in der »Neuen Zeit« erstmals gegen Lenins Parteivorstellungen.
1905: Luxemburg reist illegal nach Warschau zur Unterstützung der russischen Revolution, wird im Jahr darauf verhaftet und verbringt vier Monate in diversen Gefängnissen.
1907: Aufgrund seiner Schrift »Militarismus und Antimilitarismus« wird Liebknecht zu eineinhalb Jahren Festungshaft verurteilt, während der er ins Preußische Abgeordnetenhauses gewählt wird.
1912: Liebknecht wird Mitglied des Reichstags und lehnt am 2. Dezember 1914 als erster und einziger Abgeordneter Kriegskredite ab.
1914: Luxemburg wird wegen antimilitaristischer Agitation zu einem Jahr Gefängnis verurteilt; weitere Verurteilungen zu Haftstrafen folgen in den nächsten Kriegsjahren.
1915: Liebknecht wird als Armierungssoldat zum Militärdienst eingezogen, womit ihm jede politische Betätigung, außer im Reichstag und im Preußischen Abgeordnetenhaus, untersagt ist.
1916: Liebknecht und Luxemburg beginnen mit der Herausgabe der »Spartakusbriefe« und gründen die Gruppe »Internationale« in der USPD (später Spartakusgruppe). Auf einer Friedensdemonstration am 1. Mai auf dem Potsdamer Platz in Berlin wird Liebknecht verhaftet unter Verlust seines Reichstagsmandats zu Zuchthaus verurteilt.
9. November 1918: Liebknecht, der am 23. Oktober im Zuge einer Amnestie freikam, ruft in Berlin die »freie sozialistische Republik« aus.
10. November 1918: Luxemburg, die in Haft ihr Manuskript »Zur russischen Revolution« begann, trifft zwei Tage nach ihrer Entlassung aus dem Breslauer Gefängnis in Berlin ein und gründet mit Liebknecht die Zeitung »Rote Fahne«, für die beide in den folgenden Wochen etliche Grundsatzartikel zu den Aufgaben und Zielen der Revolution schreiben.
30. Dezember 1918 bis 1. Januar 1919: Liebknecht und Luxemburg gründen die KPD (Spartakusbund), als deren Programm die von Luxemburg verfassten, am 14. Dezember in der »Roten Fahne« veröffentlichten Leitsätze »Was will der Spartakusbund?« angenommen werden.
15. Januar 1919: Luxemburg und Liebknecht werden in ihrem Quartier in Berlin-Wilmersdorf verhaftet und anschließend heimtückisch ermordet.
«Liebknecht kämpfte gegen den Militarismus, weil das der Weg ist, einen dauerhaften Frieden zu erringen. Wir kämpfen für einen Friedensvertrag, weil das die starke Waffe im Kampf gegen den Militarismus ist.» (Alfred Neumann, Mitglied des Politbüros, 1959)
«Mit unseren Maßnahmen vom 13. August und danach haben wir einen bedeutsamen Beitrag zur Erhaltung des Friedens geleistet und der aggressiven Politik der Bonner und Schöneberger Ultras eine schwere Niederlage zugefügt.» (Gerhard Grüneberg, Kandidat des Politbüros, 1962)
«Heute, im Zwanzigsten Jahr der Deutschen Demokratischen Republik, gedenken wir mit besonderer innerer Bewegung all derer, die im Kampf für diese Ziele ihr Leben gegeben haben. Der Schwur ist eingelöst! Das Vermächtnis der Toten wurde in unserem Staat der Arbeiter und Bauern erfüllt!» (Erich Honecker, 1969)
«In freier Selbstbestimmung hat sich das Volk der DDR für immer für den Sozialismus entschieden.» (Egon Krenz, 1988)
«Bleibend ist mit dem 15. Januar vor 70 Jahren die Lehre verbunden, nie an der Macht der Arbeiter und Bauern rütteln zu lassen, niemals vor den Feinden des Sozialismus zurückzuweichen, welches konjunkturelle Gewand sie auch immer tragen.» (Joachim Herrmann, Mitglied des Politbüros, 1989)
«Hans Modrow vermerkte, habe man früher ›Andersdenkenden vieles verweigert‹, heute seien ›wir die Andersdenkenden‹. Man müsse nun den ›Mut haben, Andersdenkender zu bleiben‹.»(1999)
«Das alljährliche Erinnern an ihren Tod habe daher ›nichts mit DDR-Nostalgie‹ zu tun.» (Gregor Gysi, 2009)
Gelesenes Geschriebenes – Transparente
«Der Wille, für eine bessere Zukunft zu arbeiten, wurde auf Hunderten von Plakaten und Transparenten zum Ausdruck gebracht.» (1949)
«Kämpft für den Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland», «Wir haben Amis und Spione satt, Westberlin wird Freie Stadt!» (1959)
«Unser antifaschistischer Schutzwall in Berlin dient der Erhaltung des Friedens in Deutschland», «1600 Normenstunden zur Stärkung der DDR» (1962)
«Mit neuen Erfolgen dem 20. Jahrestag der DDR entgegen!» (1969)
«Auf Schnee und Eis antworten wir mit Arbeiterfleiß», «Mit Berliner Schwung und Elan erfüllen wir den Plan!» (1979)
«Kurs 40 – Mit neuen Taten dem XII. Parteitag entgegen» «Erfüllte Pläne – das Beste für die Politik der Hauptaufgabe!» (1989)
«Endgültiger Bruch mit Stalins Erbe ist die beste Ehrung für Karl und Rosa!», «Miteinander Denken, Diskutieren, Reformieren», «Wir lassen uns nicht BRDigen» (1990)
«Kein Frieden mit dem Kapitalismus» (2009)
Protokoll, gelaufen und geschrieben
«Die Spitze des Zuges wurde gebildet von den Mitgliedern des Zentralsekretariats, unter ihnen Otto G r o t e w o h l, Walter U l b r i c h t, und Friedrich E b e r t. Die Landesleitung Berlin der SED, Mitglieder des Bundesvorstandes des FDGB und der FDJ schlossen sich ihnen an. Es folgten dann in imposanter Länge die Kranzdelegationen.» (1949)
«An der Spitze ... befanden sich der Präsident der Deutschen Demokratischen Republik, Wilhelm Pieck, Mitglieder des Politbüros, des Parteivorstandes und des Landesvorstandes Groß-Berlin der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, des Demokratischen Blocks, des demokratischen Magistrats von Groß-Berlin und eine Anzahl namhafter Persönlichkeiten der Republik und ihrer Hauptstadt ...» (1950)
«An der Spitze des kilometerlangen Zuges ... marschierten die Mitglieder des Politbüros Erich Honecker, Friedrich Ebert, Gerhard Grüneberg, Kurt Hager, Hermann Matern, Alfred Neumann, Albert Norden, Paul Verner und Herbert Warnke; die Kandidaten des Politbüros Georg Ewald, Walter Halbritter, Werner Jarowinsky und Günther Kleiber sowie der Sekretär des ZK Werner Lamberz. Gemeinsam mit ihnen ehrten das Andenken der unvergessenen Arbeiterführer weitere Mitglieder und Kandidaten des ZK, der Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatsrates Hans Rietz, die Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates Dr. Kurt Fichtner, Wolfgang Rauchfuß, Gerhard Schürer, Dr. Werner Titel und Dr. Gerhard Weiss. Ihnen folgten Mitglieder des Staatsrates, des Ministerrates, der Präsidien der Volkskammer und des Nationalrates sowie zahlreiche Persönlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens der Republik, Mitglieder der Bezirksleitung Berlin und des Magistrats; ferner eine Abordnung der KPD und eine Delegation der SED-Westberlin.» (1969)
«Gemeinsam mit Erich Honecker demonstrierten an der Spitze des Zuges die Mitglieder und Kandidaten des Politbüros des ZK der SED Willi Stoph, Vorsitzender des Ministerrates der DDR, Hermann Axen, Kurt Hager, Joachim Herrmann, Heinz Hoffmann, Werner Krolikowski, Erich Mielke, Günter Mittag, Erich Mückenberger, Konrad Naumann, Alfred Neumann, Harry Tisch, Paul Verner und Horst Dohlus, Werner Jarowinsky, Günther Kleiber, Egon Krenz, Inge Lange und Gerhard Schürer; der Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatsrates Prof. Dr. Heinrich Homann; die Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates Manfred Flegel, Hans-Joachim Heusinger, Wolfgang Rauchfuß, Dr. Hans Reichelt, Rudolph Schulze, Dr. Gerhard Weiss und Dr. Herbert Weiz; weitere Mitglieder und Kandidaten des ZK der SED, weitere Mitglieder des Ministerrates, des Präsidiums der Volkskammer, des Staatsrates und des Präsidiums des Nationalrates der Nationalen Front sowie weitere Persönlichkeiten der Parteien und Massenorganisationen, Mitglieder der Bezirksleitung Berlin der SED und des Magistrats von Berlin.» (1979)
« … weitere Persönlichkeiten aller Parteien und Massenorganisationen … » (1988)
« … sowie weitere Persönlichkeiten der Parteien und Massenorganisationen …» (1989)
« … der abschließende Vorbeimarsch der Kampfgruppen der Arbeiterklasse … » (1979)
«Mit dem traditionellen Vorbeimarsch von Einheiten der Kampfgruppen der Arbeiterklasse (…) endete die eindrucksvolle Manifestation.» (1988)
«Der Vorbeimarsch der Kampfgruppen der Arbeiterklasse beschloß den eindrucksvollen Massenaufmarsch.» (1989)
«Spontan kamen viele Gespräche am Rande zustande. Eine Pastorin im Talar brachte in einem Gespräch mit einem Mitglied der SED-PDS ihre Ängste zum Ausdruck, unser Land könnte in ein Chaos geführt werden. So unterschiedlich die Meinungen beider zu vielen Fragen auch sind, in einem waren sie sich einig. Wenn wir aus der gegenwärtigen Situation herauskommen wollen, geht das nur mit- und nicht gegeneinander. Da haben Christen und Atheisten gleiche Verantwortung für die Zukunft unseres Lande. (...)
Und wer empfand es nicht als wohltuend bei dieser Demonstration: keine Sperrketten und kilometerweite bestellte Winkspaliere, keine Tribüne, die den Blick auf die Gräber der deutschen Arbeiterführer versperrte und keine Signalposten für den uniformierten Aufmarsch, der bislang zur Abschlußzeremonie gehörte.
Die Reporter, sonst mit Sonderausweisen für das Passieren von Sperrketten ausgestattet, konnten sich ungehindert bewegen. Einige Ordner, hilfreiche und auskunftsfreudige Volkspolizisten. Sie hatten wenig zu tun, denn die Demonstration verlief ohne Reglementierung sehr diszipliniert. Auffällig die neuen Fahnen von Parteien und Bewegungen im Zug der Hunderttausenden. Ein äußeres Zeichen sich entwickelnden politischen Pluralismus, ganz im Sinne von Karl und Rosa.» (1990)
«Stundenlang zogen gestern Angehörige aller Generationen zur Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde.» (1999)
Polizei
«Das war eine sehr eindrucksvolle Demonstration! Berlinerinnen und Berliner aller Sektoren nahmen daran teil. Die Sektorengrenzen wurden geistig überwunden. Und verachtet wurden die Schikanen einer volksfremden Polizei in den Westsektoren. In Neukölln glaubte die Stumm-Polizei (Johannes Stumm war 1949 Polizeipräsident für die Westsektoren Berlins, stf)durch Wegnahme der roten Fahnen den Strom des Fortschritts aufhalten zu können. Nichts da! Die Arbeiter ließen von ihren Fahnen und Emblemen nicht ab. In Ruhe holten sie sich zurück was ihnen gehört. (…) Zeigte schon die gesamte Demonstration ein Bild entschlossener Tatkraft der Arbeiterklasse, so wurde diese Tatsache noch besonders von den Kolonnen unserer V o l k s p o l i z e i unterstrichen. In Zehnerreihen marschierten sie hinter ihren roten Sturmfahnen. Die Gegner müssen jetzt erkennen: die Volkspolizei ist eben nicht ein Werkzeug der Reaktion gegen die Werktätigen, sondern umgekehrt ein kraftvolles Instrument des demokratischen Volkes, im Dienste des Fortschritts und des Neuaufbaus.» (1949)
«Von Anfang an sei in Minutenabständen in der Absicht eingegriffen worden, den ›Zug zu zermürben‹. Laut Augenzeugen wurde gegen Teilnehmer wegen Schals vorgegangen oder weil jemand die Sonnenbrille nicht abnehmen wollte. ›Man hat den geringsten Anlaß genommen, um 20 bis 30 Beamte reinzuschicken und zu prügeln.‹» (1999)
«Nach Angaben der Polizei verlief die Demonstration weitgehend friedlich.» (2009)
Gedenken
«Neben den vielen Kränzen sah man nicht selten ein altes Mütterlein oder einen alten Arbeiterveteranen, die mit einem kleinen Strauß ihrer einstigen Kampfgefährten Karl und Rosa gedachten.» (1949)
Zahlen
«Mehr als 100 000 Werktätige Berlins an den Gräbern Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs» (1950)
«150 000 Berliner demonstrieren für Friedensvertrag, gegen Militarismus» (1959)
«170 000 Berliner ehrten das Vermächtnis der großen deutschen Arbeiterführer» (1962)
«180 000 bekundeten: Schwur von 1919 eingelöst und Vermächtnis erfüllt» (1969)
«Machtvolle Kampfdemonstration von 200 000 Berlinern in Friedrichsfelde» (1979)
«Aufmarsch von über 200 000 Berlinern an den Gräbern von Karl und Rosa» (1988)
«250 000 marschierten für Karl und Rosa» (1989)
«Nach vorsichtiger Schätzung müßten es über 250 000 gewesen sein ...» (1990)
«100 000 Menschen zum 80. Todestag von Liebknecht und Luxemburg in Friedrichsfelde (1999)
»Zehntausende bei Rosa und Karl« (2009)
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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