Gewaltfreie Sprache

Geht es um Femizide wird verharmlost. Sexuelle Gewalt sollte endlich als das behandelt werden, was es ist, ein Verbrechen.

  • Paula Irmschler
  • Lesedauer: 3 Min.

»Flirt scheitert - Radler schlägt Frau fast tot«, »Zehn Jahre im Wachkoma, Frau bringt trotzdem Baby zur Welt - Vergewaltigung?«, »Mit 16 tötete sie [Cyntoia Brown] ihren Freier«. In der letzten Woche fand mal wieder ein Medienwettbewerb um die verharmlosendste Schlagzeile zum Thema sexuelle Gewalt statt.

Kann es denn wirklich sein, dass Frauen diese angetan wird, obwohl wir Statistiken, Berichte von Betroffenen und eindeutige Indizien dafür haben? Lieber erst mal anzweifeln und schon mal verharmlosen und somit die Antwort liefern. Also windet man sich, biegt sich Dinge zurecht und verniedlicht, wo es nur geht, damit man nicht das Offensichtliche aussprechen muss, nicht am Status quo rütteln muss, nicht wahrhaben muss, was da täglich um einen herum und vor allem Frauen passiert.

Und so wird, wenn es um Vergewaltigung oder um den Vorwurf der Vergewaltigung geht, immer wieder von »Sex« gesprochen. Vergewaltiger werden zu »Sex-Monstern« entmenschlicht, die außerhalb der Gesellschaft stehen und mit uns und unserer Sexualmoral nichts zu tun haben. Misogynie wird zu »Frust«, minderjährige Opfer von Menschenhändlern werden zu »Prostituierten« und Täter zu »Freiern«.

Belästigungen, Übergriffe, Drohungen bis hin zu Mordversuchen (wir erinnern uns an die Eisenstange) werden zu »Flirts« und häusliche Gewalt und Femizide zu »Beziehungsdramen«. Dahinter steckt selbstverständlich keine Verschwörung, System hat es dennoch. Dass Medien so formulieren, mag durchaus auch unbewusst passieren, aber es zeigt eine Abwehr des immer noch nicht verinnerlichten Umstands, dass Frauen Menschen sind. Menschen, die auf eine bestimmte Weise von einer durch männliche Normen geprägten Gesellschaft gesehen und behandelt werden - und so spezifische Probleme bekommen.

Das Beispiel der Wachkomapatientin ist dabei vielleicht am deutlichsten: Es ist klar, dass die Frau vergewaltigt wurde. Es kann nicht anders sein, da sie nicht in der Lage war, ihre Zustimmung zu geben. Trotzdem ist ein Fragezeichen da, wo keines sein sollte. Es ist dort, weil sich dieser Fall in Strukturen abspielt, in denen Frauen objektifiziert werden, in denen Übergriffe als normal gelten, verharmlost und heruntergespielt werden, in denen das Überschreiten von Grenzen als »Balzverhalten« gesehen wird, in denen nicht offene Kommunikation Fundament von Sexualität ist, sondern die tiefliegende Überzeugung, dass Sex etwas ist, das man einfordern kann.

Bei jedem anderen so eindeutig nachweisbaren Verbrechen an einer Person würde man sofort und ausschließlich fragen: Wer hat es getan, warum hat die Person es getan, wie war es möglich, dass sie so etwas tun konnte, und wie können wir solche Dinge zukünftig verhindern? Das geht allerdings nur, wenn man sexuelle Gewalt konsequent wie ein Verbrechen behandelt und Frauen wie Menschen.

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