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Die Mietpreislawine stoppen
Ein neues juristisches Gutachten zeigt, dass Bundesländer Mieten deckeln können
Das wäre sensationell, wenn es so wäre, wie dargestellt«, sagt Rouzbeh Taheri, Sprecher nicht nur des Mietenvolksentscheids, sondern auch des Volksbegehrens »Deutsche Wohnen und Co enteignen«, für den im Frühjahr die Unterschriftensammlung starten soll. »Dann müssten wir sofort noch einen Volksentscheid starten«, so Taheri weiter. Auf jeden Fall sei es »ein neuer Ansatz, an dem man mit Hochdruck arbeiten sollte«.
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Was ihn so freudig erregt, ist ein Aufsatz des Juristen Peter Weber, der im November in der renommierten »Juristenzeitung« erschienen ist. Seine These: Berlin und jedes andere Bundesland könnte selbstständig die Mietpreislawine aufhalten. »Mittel und Wege landeseigenen Mietpreisrechts in angespannten Wohnungsmärkten«, unter diesem Titel führt der beim Berliner Bezirksamt Pankow beschäftigte Weber auf acht Seiten aus, warum er davon ausgeht, dass die Bundesländer nicht auf den in dieser Hinsicht praktisch untätigen Bund warten müsste.
»Dass die Frage behandelt wird, welche Regulierungsmöglichkeiten die öffentliche Hand bei den Mieten hat, trifft unseren Nerv«, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Er sieht aber auch Probleme. Zum Beispiel, ob es nicht einen Konflikt mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch gebe, in dem der Bund derzeit das Mietpreisrecht regelt.
Berlin ist Spitzenreiter bei Mieterhöhungen. Bei Neuvermietungen werden in der Hauptstadt derzeit im Durchschnitt 10,15 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter verlangt.
Im Jahr 2000 waren es nach Angaben von immobilienscout24 noch vier Euro. Eine Steigerung um über 150 Prozent. Die Deutsche Bank geht in einer neuen Studie davon aus, dass Berlin eine der teuersten europäischen Metropolen werden könnte. Viel spreche für einen »Superzyklus« – also steigende Mieten und Kaufpreise weit über 2020 hinaus. Allgemein wird eher ein Abflachen des Booms erwartet.
Die rot-rot-grüne Koalition versucht recht kostenintensiv gegenzusteuern. Zum Beispiel durch die Ausübung von Vorkaufsrechten in Milieuschutzgebieten oder den Kauf von Wohnungen durch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften. Die Aktivisten des Volksentscheids »Deutsche Wohnen und Co enteignen« wollen sogar rund 200 000 Wohnungen großer Immobilienkonzerne gegen Entschädigung rekommunalisieren, wofür wohl ein zweistelliger Milliardenbetrag aufgebracht werden müsste.
Trotzdem würde durch all diese Maßnahmen, nur ein gewisser, begrenzter Einfluss auf die allgemeine Mietenentwicklung außerhalb der kommunalen Bestände ausgehen. Derzeit sind rund 300 000 aller 1,6 Millionen Mietwohnungen in der Hauptstadt in der Hand der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Selbst mit radikaler Rekommunalisierung und bei Realisierung aller geplanten Neubauten würden es in einigen Jahren nur 600 000 von dann 1,7 Millionen Mietwohnungen sein.
Mit einer einfachen, vom Senat zu erlassenden Verordnung, könnten laut Peter Weber für alle Wohnungen Mietobergrenzen eingeführt werden. Diese könnten auf Basis des Preisgesetzes erlassen werden, das Landesregierungen die Möglichkeit einräumt, »Preise, Mieten, Pachten, Gebühren und sonstige Entgelte für Güter und Leistungen jeder Art« festzusetzen oder zu genehmigen.
Für dessen Einsatz genüge schon die Befürchtung, dass die Mieten derart steigen, dass wirtschaftlich schwächere Teile der Bevölkerung nicht mehr in der Lage sind, angemessenen Wohnraum zu tragbaren Bedingungen zu behalten und zu erlangen, urteilte das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 1958. Bis 1960 waren die Boden- und Mietpreise in der auch damals durchaus kapitalistischen Bundesrepublik eingefroren. Damals wurden die Preise in Erwartung eines kommenden ausgeglichenen Wohnungsmarktes freigegeben. In den Großstädten dauerte es noch länger. Zuletzt wurde die Mietpreisbindung für vor 1949 errichtete Häuser in West-Berlin erst Ende 1987 aufgehoben.
»Der Text ist bemerkenswert, weil er auf den weitgehend verdrängten Umstand aufmerksam macht, dass Mietsteigerungen nicht notwendigerweise nach Privatrecht geregelt werden müssen«, sagt der Stadtsoziologe Andrej Holm, der die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus berät. Der vorgeschlagene Weg »würde die wohnungspolitischen Eingriffsmöglichkeiten Berlins deutlich steigern«, freut er sich.
Alternativ könnte laut Weber auch das Abgeordnetenhaus ein Gesetz zu Mietpreisobergrenzen beschließen. Die Tür dafür habe die Grundgesetzänderung von 2006 geöffnet, als der Bund die Zuständigkeit für das Wohnungswesen an die Länder übertragen hatte. Bei der Festlegung der Mietobergrenzen hätte die rot-rot-grüne Koalition weitgehend freie Hand.
Beispielsweise könnte Basis der Mietspiegel von 2011 sein, der je nach Lage, Baujahr und Wohnungsgröße Kaltmieten von maximal 8,19 Euro pro Quadratmeter ausweist. Denn: »Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums umfasst keinen Renditeschutz«, wie Weber ausführt. Die im Grundgesetz »gezogenen Grenzen wären erst überschritten, wenn Mietpreisbindungen auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter oder zur Substanzgefährdung der Mietsache führen würden«, so der Autor.
Das Land könnte Hauseigentümern etwaige Mehrkosten auch per Zuschuss erstatten. Bei abgezahlten Altbauten halten Experten Kaltmieten für um die vier Euro auskömmlich. »Wenn zum Beispiel mindestens die Hälfte der Bevölkerung maximal 30 Prozent ihres Einkommens für die Wohnung ausgeben soll, würde man ungefähr bei Warmmieten von 6,30 Euro pro Quadratmeter landen«, rechnet Holm vor.
»Eine echte Bremse, die den Berliner Einkommensverhältnissen gerecht wird, ist mehr als notwendig und es wäre phänomenal, wenn das rechtlich wirklich durchsetzbar ist«, sagt Grünen-Mietenexpertin Katrin Schmidberger. Der Vorstoß klinge »vielversprechend« und sie diskutiere darüber gerade mit einigen Experten. »Gerade weil das Bundesmietrecht die Mieter so schlecht schützt, gilt es diesen Vorschlag genau zu prüfen«, so Schmidberger weiter.
Einen Schritt weiter ist Kilian Wegner, Sprecher des Arbeitskreises Stadtentwicklung des SPD-Bezirksverbandes Mitte. Zusammen mit der Bundestagsabgeordneten Eva Högl und dem stellvertretenden Landesvorsitzenden Julian Zado entwickelt er auf der Basis der »hochplausiblen« Ausführungen von Peter Weber einen »Berliner Mietendeckel«, berichtet er. »Berlin kann nicht mehr zehn Jahre warten, bis der Bund etwas unternimmt. Die Hütte brennt schon jetzt«, so Wegner.
Die Vermieterseite dürfte nicht amüsiert sein. Als die SPD im September einen »Mietenstopp« forderte, reagierte Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbandes Haus & Grund, bereits sehr scharf. »Das sind Maßnahmen, die wir bisher nur aus totalitären Systemen kennen«, sagt er.
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