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Kein Märtyrer werden

Der brasilianische Linkspolitiker und LGBTI-Aktivist Jean Wyllys flieht aus Brasilien

  • Niklas Franzen
  • Lesedauer: 2 Min.

Es geht nicht mehr: Am Donnerstagabend erklärte der brasilianische Politiker Jean Wyllys, dass er sein Mandat als Abgeordneter nicht antreten und im Ausland untertauchen werde. Auf sozialen Netzwerken schrieb er: »Ich will kein Märtyrer sein, ich will leben.«

Seit vielen Jahren erhält der linke Parlamentarier und LGBTI-Aktivist Morddrohungen. Bereits im November 2018 hatte die Interamerikanische Menschenrechtskommission kritisiert, dass der brasilianische Staat beim Schutz von Wyllys scheitern würde. Während Linke und Menschenrechtler bestürzt auf die Ankündigung reagierten, feierte Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro die Entscheidung und schrieb auf Twitter von einem »großartigen Tag«.

Bolsonaro und Wyllys sind seit längerer Zeit erbitterte Gegenspieler. Als Bolsonaro 2016 während einer Parlamentsabstimmung einem berüchtigten Folterer der Militärdiktatur seine Stimme widmete, spuckte Wyllys ihm ins Gesicht. Die Reaktion folgte prompt. »Ich erhielt zahlreiche Morddrohungen«, erklärte Wyllys damals im nd-Interview. Mit dem Amtsantritt des Rechtsradikalen habe sich die Bedrohungslage extrem zugespitzt.

Wyllys ist in einer armen Familie im Bundesstaat Bahia aufgewachsen. Nach dem Studium arbeitete er als Hochschulehrer und Journalist. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er 2005 bekannt, als er die brasilianische Version der Reality Show Big Brother gewann. Im Jahr 2010 zog Wyllys als erster offen schwuler Abgeordneter für die Linkspartei PSOL in das Parlament ein. Mit seinem Engagement für LGBTI, Schwarze und Menschenrechte machte er sich viele Feinde. Für seine harsche Kritik der Maduro-Regierung in Venezuela und die Thematisierung von linkem Antisemitismus ist er auch innerhalb der Linken nicht unumstritten.

Mit der Flucht von Wyllys erreicht Brasilien einen neuen Tiefpunkt. Allerdings gibt es einen kleinen Hoffnungsschimmer: Der charismatische Politiker David Miranda – ebenfalls schwul, schwarz und aus einer armen Familie – wird ihn im Parlament ersetzen.

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