Der Kinderratschlag

  • Paula Irmschler
  • Lesedauer: 3 Min.

Gut, dass ich nie zu Ärzten oder sonst wohin gehe. Immer wieder höre ich von Freundinnen, dass ihre Frauenärztinnen, ihre Ohrenärztinnen, ihre Zehennagelärztinnen, ihre Busfahrerinnen, ihre Steuerberaterinnen, ihre Mütter, Großmütter, Cousinen elften Grades oder der heilige Geist ihnen ungefragt und kontextlos unter die Nase gerieben, ans Herz gelegt, den freundlichen Tipp gegeben haben, doch so langsam mal mit der »Familienplanung« anzufangen, sonst sei es bald zu spät, der Drops gelutscht, finito, schade, alles vorbei. Bei diesen übergriffigen Unternehmungen wird von vermeintlichen Selbstverständlichkeiten ausgegangen. Erstens: Frauen sind nicht besonders schlau und müssen ihr Leben lang paternalistisch über Biologie unterrichtet werden. Zweitens: Alle Frauen wollen Kinder bekommen. Drittens: Alle Frauen können Kinder bekommen. Und viertens: Familie ist nur denkbar, indem Frauen Kinder gebären, und sie können nicht auf andere Weise Teil von Kindererziehung werden.

Dabei ist es so, dass uns ohnehin überall und durchaus durch falsche Informationen manchmal weniger, manchmal mehr subtil zugetragen wird, dass es wichtig ist, dass wir in unserem Leben zu mindestens einem Kind kommen, und das auch noch zum idealen Zeitpunkt, der bitte nicht bei unter 20, aber auch nicht bei über 30 liegen soll. Wir kennen den Quatsch aus Funk, Fernsehen und Familien und haben bestenfalls gelernt, dass es sich dabei um Quatsch handelt und man sich durchaus noch etwas länger Zeit lassen kann, dass das Thema keine Priorität haben oder überhaupt keine Rolle spielen muss. Und dass es andere Möglichkeiten gibt. Man kann zum Beispiel adoptieren, man kann die Kinder (mit-)aufziehen, die andere Menschen geboren haben, die Partnerin oder der Partner kann bereits Kinder in die Partnerschaft mitbringen, die einem völlig genügen, und viele weitere Konstellationen sind vorstellbar. Oder man will eben überhaupt gar nicht mit Kindern zusammenleben.

Sollte es jedoch der Fall sein, dass wir uns ein Kind wünschen, und das auch noch dringend, wäre es doch ziemlich fatal, einer Person mit einer Sehnsucht - die sich offensichtlich, aus welchen Gründen auch immer, nicht erfüllen kann, denn sonst hätte sie ja bereits ein Kind - so etwas ins Gesicht zu sagen. Es gibt also keinen guten Grund, Frauen mit diesen Tipps zu behelligen, und es zeugt nur davon, dass man Frauen als Gebärmaschinen betrachtet, deren Leben sich um nichts anderes drehen kann als Kinder. Weil man es selbst so leben musste, leben wollte, nie anders kennengelernt hat, nie anders kennenlernen wollte. Liebe Tippgeber*innen: So muss das alles nicht mehr sein. Gönnt Frauen Freiheit, Zeit, Ruhe und ihren eigenen Kopf - und euch den Atem bezüglich Sachen, die euch nichts angehen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.