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»Aufstehen« mit LINKE-Struktur?

Gewerkschaftsnahe Strömung hat neues Leitungsgremium. Bisher Aktive ziehen sich zurück

Mit aktuell etwa 1000 Mitgliedern ist die »Sozialistische Linke« (SL) eine einflussreiche Strömung innerhalb der Linkspartei. Gegründet 2006 als Plattform vor allem gewerkschaftlich engagierter Genossen, gehört sie zu den Zusammenschlüssen, die laut LINKE-Satzung unter anderem Delegierte zu Parteitagen entsenden können und von der Partei Geld für ihre Arbeit bekommen.

Insofern ist, was am Sonntag auf der SL-Mitgliederversammlung beschlossen worden ist, von einiger Tragweite. Dort wurde nach kontroverser Debatte einiger Positionspapiere ein neuer Bundessprecherrat gewählt. Ihm gehören acht Genossinnen und Genossen an. Im bisherigen Rat hatten ursprünglich zwölf Personen mitgewirkt.

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Vier Frauen und vier Männer hatten nach nd-Informationen im Verlauf der Sitzung ihre Kandidaturen für das Leitungsgremium zurückgezogen. Jana Seppelt, die dem alten Sprecherrat angehörte, beklagte im Gespräch mit »nd«, die SL sei durch gezielte Mobilisierung bisher kaum aktiver Mitglieder zu einer Gruppierung gemacht worden, die überwiegend Sympathisanten der Sammlungsbewegung »Aufstehen« repräsentiere. Zudem, so Seppelt, habe sich ihre Hoffnung zerschlagen, die Strömung stärker zu einem Podium für moderne Klassenpolitik zu entwickeln, die sich an aktuellen gewerkschaftlichen Kämpfen orientiere. Seppelt will nach der Versammlung, die in ihren Augen auch einen Tiefpunkt in Sachen Diskussionskultur markiert, die SL verlassen und sich künftig vor allem in der »Bewegungslinken« engagieren, in der sie bereits aktiv ist.

Die »Bewegungslinke« hatte sich Ende April 2018 in Abgrenzung zu den migrationspolitischen Forderungen Sahra Wagenknechts und den Verfassern eines Thesenpapiers zum Thema Migration um den alten und neuen SL-Sprecher Ralf Krämer und den Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi gegründet. Seppelt wie auch der frühere VW-Betriebsrat Stephan Krull sehen auch das Beharren der Mehrheit in der SL-Versammlung auf der Forderung nach einem Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde kritisch. In ihrem Antrag für »verbindende Klassenpolitik« und »gewerkschaftliche Orientierung« der LINKEN hatten Seppelt und fünf weitere Mitglieder des bisherigen Sprecherrats sich für die Forderung nach 13 Euro starkgemacht. Seppelt betonte, selbst die SPD habe konstatiert, dass mindestens 12,63 Euro Stundenlohn nötig seien, um nach 40 Arbeitsjahren auf eine Rente über dem Grundsicherungsniveau zu kommen.

Ralf Krämer hatte in einem Änderungsantrag verlangt, bei zwölf Euro zu bleiben, weil diese Forderung »zunehmend breit akzeptiert« sei. Wegen dieses Antrags und anderer Änderungsanträge zogen die Einbringer ihr Papier generell zurück. Wie Seppelt wollen mindestens zwölf weitere bisher in der SL Aktive dieser Gruppierung nun den Rücken kehren und ihre Kraft in den Aufbau der »Bewegungslinken« investieren.

Ralf Krämer räumte im Gespräch mit »nd« ein, SL-Mitglieder aus »westlichen Landesverbänden« zur Teilnahme an der Versammlung motiviert zu haben. 160 Personen seien in der Folge gekommen. Dadurch sei eine Richtungsentscheidung für »Einheit« in der LINKEN und Integration von bei »Aufstehen« Aktiven möglich geworden. Der bisherige Sprecherrat sei vor zwei Jahren von nur 40 Genossen gewählt worden und »überhaupt nicht repräsentativ« für die SL gewesen, meinte Krämer. Vielmehr habe es sich »faktisch um eine Unterstützungstruppe für den Parteivorstand« gehandelt, die sich explizit gegen »Aufstehen« positioniert habe. Das Papier, das Krämer als Beispiel dafür nennt, ist von fünf Frauen aus dem bisherigen Sprecherrat unterzeichnet. Darin wird unter anderem das Gegeneinanderstellen der Interessen von Migranten, Geflüchteten und in Deutschland geborenen Lohnabhängigen durch prominente »Aufstehen«-Vertreter kritisiert.

Krämer betonte: »Der Vorwurf, die SL sei von ›Aufstehen‹-Unterstützern gekapert worden, ist Quatsch.« Nur zwei der neuen Ratsmitglieder seien direkt in der Sammlungsbewegung aktiv, zwei weitere hätten sich online dort registriert. Zudem trete die Mehrheit der Versammlungsteilnehmer lediglich für ein »konstruktives Verhältnis« zwischen Partei und Bewegung ein. Krämer hofft, mit den Kritikern weiter im Gespräch bleiben zu können und weist darauf hin, dass die vier frei gebliebenen Plätze im Rat auf der SL-Sommerakademie nachbesetzt werden könnten. Gewerkschafter Krull, der zu denen gehört, die ihre Kandidatur zurückgezogen haben, glaubt allerdings nicht, dass diese Genossen eine echte Chance hätten, gewählt zu werden.

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