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ALG I reicht oft kaum zum Leben
Durch den Gender Pay Gap fallen vor allem Frauen leicht unter die Armutsgrenze
Arm zu sein trotz jahrelanger Erwerbstätigkeit, ist für viele Menschen in Deutschland längst zur Realität geworden. Bei 60 Prozent des Einkommens liegt das Arbeitslosengeld I (ALG I) in der Regel. Es wird je nach Anspruchsberechtigung zwischen sechs und 24 Monate lang ausgezahlt. Die daraus resultierende durchschnittliche Höhe des Arbeitslosengeldes I schützte LINKE-Parteichefin Katja Kipping zufolge weder in der Vergangenheit vor Einkommensarmut, noch tue sie es aktuell.
Wie aus einer aktuellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht, die dem »nd« vorliegt, hat sich die Lücke zwischen dem durchschnittlichem Arbeitslosengeld I und der Armutsrisikogrenze zwischen 2004 und 2015 immer weiter vergrößert. Daneben ist auch die Differenz zwischen Männern und Frauen gestiegen. Die Armutsrisikogrenze, die bei 60 Prozent des nationalen Medianeinkommens festgesetzt ist, lag im Jahr 2015 bei 1086 Euro. Aktuelle Berechnungen der Armutsrisikogrenze für 2018 liegen nicht vor. Aufgrund steigender Lebenshaltungskosten und Inflation ist aber davon auszugehen, dass diese in den letzten Jahren gestiegen ist. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld I lag im Jahr 2018 (Berechnungszeitraum November 2017 bis Oktober 2018) bei 953 Euro. Betrug die Differenz zwischen Armutsrisikogrenze und durchschnittlichem Arbeitslosengeld I im Jahr 2004 noch 108 Euro, lag sie im Jahr 2015 bereits bei 200 Euro, also fast dem Doppelten.
Besonders betroffen sind davon vor allem Frauen. Bezogen Männer im Berechnungszeitraum (November 2017 bis Oktober 2018) ein durchschnittliches ALG I in Höhe von 1073 Euro, lag dieses bei Frauen bei 809 Euro. Im Durchschnitt bekamen Frauen also 264 Euro weniger ALG I als Männer.
Das liegt daran, dass Frauen häufiger als Männer zugunsten der Kindererziehung pausieren oder nur in Teilzeit arbeiten. Darüber hinaus sind sie häufiger in schlecht bezahlten Branchen tätig oder arbeiten im Niedriglohnsektor. So verlängert die lohnarbeitsabhängige Absicherung bei Erwerbslosigkeit nicht nur generell Lohnungerechtigkeit, sondern auch die Ungerechtigkeiten aufgrund des Gender Pay Gaps - also dem Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen.
Katja Kipping erklärte gegenüber »nd«: »Zwischen dem durchschnittlichen Arbeitslosengeld und der Armutsrisikogrenze klafft eine große Armutslücke. Höhere Löhne sind ein zentraler Schlüssel zur Beseitigung von Armut. Der Mindestlohn muss auf 12 Euro angehoben werden. Die Tarifbindung muss durch erleichterte Allgemeinverbindlichkeit wieder Normalität werden.«
Um dem erhöhten Armutsrisiko speziell von Frauen etwas entgegenzusetzen, müssten außerdem die Branchenmindestlöhne, beispielsweise in der Altenpflege auf 14,50 Euro deutlich angehoben werden, forderte Kipping. Dies seien Berufe, die auch heute noch häufig von Frauen ausgeübt werden. Obwohl sie eine zentrale Rolle in unserer Gesellschaft spielen, seien diese Berufe aufgrund ihrer Geringschätzung schlechter bezahlt. Hintergrund der gesellschaftlichen Geringschätzung ist, dass diese Tätigkeiten früher oft von Frauen umsonst in den Familien übernommen wurden. Derzeit liegen die Stundenlöhne in der Altenpflege bei 10,50 Euro (Ost) und 11 Euro (West). Für eine tarifvertragliche Anhebung zu sorgen, sei vor allem Aufgabe der Gewerkschaften, sagte Kipping. Zuallerletzt forderte sie noch tiefgreifenderes: »Es braucht eine Art Kulturrevolution.« Solange ein Großteil der Sorgearbeit weiterhin nur von Frauen geleistet werde und es immer noch vermehrt Frauen seien, die in Elternzeit gehen, werde sich auch in Zukunft nicht viel am Gender Pay Gap ändern.
Für eine Verlängerung der Bezugsdauer von ALG I, wie es die SPD derzeit fordert, hatte sich die Linkspartei bereits zuvor eingesetzt. Pro eingezahltem Jahr sollen Erwerbslose demnach einen Monat Arbeitslosengeld erhalten. Wer 35 Jahre lang eingezahlt hat, solle mindestens 35 Monate lang das Arbeitslosengeld I erhalten. Wer weniger als 24 Jahre erwerbstätig war, soll dennoch mindestens 24 Monate ALG I erhalten. Eine bloße Verlängerung der Bezugsdauer ändere dennoch nichts an der grundlegenden Ungerechtigkeit: Sie verlängere lediglich zeitlich die Ungerechtigkeit.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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