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Erinnern an unfassbare Verbrechen

Die LINKE fordert im Bundestag Gedenkort für osteuropäische Opfer des Naziregimes

Das Bekenntnis zur Würde jedes Einzelnen und seinen Grundrechten in Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik sei auch ein »Nachhall« des »von Deutschland begangenen Menschheitsverbrechens«. Das betonte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) am Donnerstag anlässlich der Gedenkstunde des Parlaments für die Opfer des Nationalsozialismus. Wegen der Zerstörung von Würde und Leben von Millionen sei eben nicht »die Volksgemeinschaft der Referenzrahmen unserer Verfassung, sondern das Individuum, der einzelne Mensch«. Denkwürdige Worte in Zeiten, in denen das Recht von Flüchtlingen auf Leben und Schutz in der Europäischen Union täglich infrage gestellt wird.

Als Redner zu der anlässlich des Jahrestages der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 abgehaltenen Gedenkstunde hatte das Parlament den israelischen Historiker Saul Friedländer eingeladen. Geboren 1932 in Prag, mit seinen Eltern geflohen nach Frankreich, hatte er als Junge die Verfolgung durch die Nazis unter falschem Namen in einem katholischen Internat überlebt. Seine Eltern hingegen wurden auf der Flucht in die Schweiz verhaftet, an die Deutschen ausgeliefert und 1942 in Auschwitz ermordet. Das Schicksal seiner Familie und vieler anderer wegen ihrer jüdischen Herkunft Verfolgter schilderte Friedländer vor den Abgeordneten auf berührende Weise.

Er sei der Einladung des Bundestages gefolgt, weil er in der heutigen Bundesrepublik ein »von Grund auf gewandeltes Deutschland« sehe, sagte der Historiker. Sie sei ein »Bollwerk« gegen die weltweit wachsenden Gefahren durch Nationalismus und Autoritarismus, meint der Wissenschaftler. Er warnte vor Hass auf Juden, der »heute genauso irrational wie damals« sei. Verschwörungstheorien würden vor allem von Rechtsradikalen verbreitet, während bei der »antisemitischen Linken« die »Art der Rechtfertigung ihres Hasses darin besteht, die israelische Politik obsessiv anzugreifen und dabei zugleich das Existenzrecht Israels infrage zu stellen«. Friedländer äußerte die Erwartung, dass Deutschland die »moralische Standfestigkeit« besitze, weiterhin für »Menschlichkeit und Freiheit, kurzum für die wahre Demokratie zu kämpfen«.

Die Linksfraktion hatte am Donnerstag ebenfalls einen Antrag zur Diskussion gestellt, in der sie für die Schaffung eines zentralen Gedenkortes für die Opfer des NS-Vernichtungskrieges in Osteuropa in Berlin plädiert. Eine Stunde lang diskutierten die Abgeordneten den Vorschlag. Die Vertreter der Regierungsfraktionen, aber auch von FDP und Grünen sowie der AfD lehnten dies ab. Ungehemmte Gleichsetzung von Stalinismus und Faschismus als »Unterarten des Sozialismus« betrieb jedoch nur der AfD-Vertreter Marc Jongen.

Alle anderen Redner räumten ein, dass die Verbrechen von Wehrmacht und SS in der Sowjetunion und Polen im öffentlichen Bewusstsein der Bundesrepublik kaum präsent sind. Damit sich dies ändere, müsse hier intensiv Forschung und Bildungsarbeit betrieben werden.

Für die LINKE hatte Jan Korte auf die monströsen Verbrechen insbesondere in der Sowjetunion verwiesen, die die Nazis mit ihrer »Lebensraumideologie« und der Behauptung gerechtfertigt hätten, bei den Bürgern der überfallenen Gebiete handele es sich um »slawische Untermenschen«. Korte erinnerte an die insgesamt 27 Millionen sowjetischen Opfer der Faschisten. Diese »kamen und kommen fast überhaupt nicht vor« in der deutschen Erinnerungskultur, kritisierte der Politiker. Dass die größte Opfergruppe der Nazibarbarei noch immer so wenig Anerkennung finde, sei auch Folge des »staatsreligiösen Antikommunismus der 50er und 60er Jahre« in der Bundesrepublik und der »massenhaften Rückkehr« von Nazis an die Schaltstellen in Politik und Verwaltung.

Die CDU-Abgeordnete Elisabeth Motschmann lehnte den Vorschlag mit der Begründung ab, die LINKE betreibe eine »Hierarchisierung der Opfergruppen«. Tatsächlich gibt es bislang zwar das Holocaustmahnmal, ein weiteres für die verfolgten Sinti und Roma und eines für die von den Nazis ermordeten Homosexuellen sowie Orte, an denen der Programme zur Vernichtung »unwerten« Lebens erinnert wird. Eine offizielle deutsche Gedenkstätte für die Opfer des Angriffs- und Vernichtungskrieges in Osteuropa gibt es dagegen bislang nicht.

Marianne Schieder und Helge Lindh (beide SPD) befürworteten den Mahnmalvorschlag vage, betonten aber, mit einer Gedenkstätte sei es »nicht getan«. Vielmehr müsse Aufklärung und Bildung im Mittelpunkt der Erinnerungsarbeit stehen. Michael Frieser (CSU) und Alexander Müller (FDP) betonten demgegenüber die Sensibilitäten der Menschen in den nach 1990 »neu erstandenen Nationen« und Polens. Nötig sei »individuelle Würdigung« aller Opfer. Dem stehe ein gemeinsamer Gedenkort für so verschiedene Gruppen im Wege.

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