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Zahlen aus einer vergangenen Zeit
Dominanz ohne Wirkung: FC Bayern siegt im Pokal gegen Hertha BSC in der Verlängerung
Fünf Tore, der 3:2-Siegtreffer für den FC Bayern erst in der Verlängerung und all das im endlich mal wieder ausverkauften Olympiastadion - was nach Spektakel klingt, war nicht mehr als ein ordentliches Fußballspiel. Zäh waren die Bemühungen beider Mannschaften: Die Berliner beschränkten sich aufs Verteidigen, die Bayern scheiterten meist daran, ihre Überlegenheit zum erfolgreichen Abschluss zu bringen.
Die Münchner Mannschaft war, wie im bisherigen Saisonverlauf, weit davon entfernt, eine der weltbesten zu sein. Diesen Ruf genießt sie teilweise trotzdem noch. Im Fall von Maximilian Mittelstädt ist das sogar verständlich. Als der gebürtige Berliner fußballerisch groß geworden ist und sich vermutlich noch mehr an Vorbildern orientiert hat, war der FC Bayern tatsächlich das Maß der Dinge. Mittelstädt kam im Sommer 2012 zu Hertha BSC, kurz zuvor hatten die Münchner das Finale der Champions League verloren. Ein Jahr später gewannen sie das Triple aus Bundesliga, Pokal und Königsklasse. Und fortan, bis heute, auch jeden Meistertitel.
Mittelstädt hat bislang 39 Erstligaspiele, vier Pokalpartien und drei Einsätze in der Europa League in seiner Fußballervita zu stehen. Allein Franck Ribery kommt auf mehr als das zehnfache. Die jugendliche Unbekümmertheit setzte sich am Mittwochabend nur einmal durch, als der Berliner Linksfuß in der dritten Minute die schnelle Führung erzielt hatte. Am Ende siegte wohl der Respekt vor dem Gegner bei Mittelstädt und seinen Mitspielern - Torschüsse: 4 zu 23, Ecken: 2 zu 14, Flanken: 4 zu 34, Ballbesitz: 26 zu 74 Prozent.
Diese Zahlen lesen sich wie aus einer vergangenen Zeit - als Pep Guardiola die Dominanz zum Stilmittel in München erhob. Mittelstädts Wahrnehmung von der gegenwärtigen Größe des Gegners ist aber genau das Problem des FC Bayern. Altmeister wie Ribery und Javi Martinez standen am Mittwochabend ebenso auf dem Platz wie 2014-er Weltmeister Thomas Müller und Mats Hummels, dessen selbst eingestandener »großer Fehler« den Ausgleich zum 2:2 durch Davie Selke erst ermöglichte. Dazu ein James Rodriguez, der im roten Bayern-Trikot dem Attribut Weltstar mehr Schein als Sein verleiht. Und Stürmer Robert Lewandowski, der immer gereizter auf Kritik über abnehmende Effektivität reagiert. Im Münchner Kader finden sich mit Jerome Boateng und Arjen Robben weitere Protagonisten einer vergangenen Erfolgsära.
Das Spiel müssen, wie am Mittwoch, andere bestimmen. Den schnellen Serge Gnabry und Kingsley Coman gelang das gut, der Rechtsaußen traf doppelt, der Franzose erzielte das Siegtor. Auch Leon Goretzka übernimmt immer mehr Verantwortung im Mittelfeld. Aber all die genannten müssen sich ebenso wie Verteidiger Niklas Süle das Prädikat Weltklasse erst verdienen; durch konstant überdurchschnittliche Leistungen.
Damit keine Zweifel aufkommen: Es war ein gutes Spiel, mit wenig Fehlern auf beiden Seiten. Die offensiv mutlosen Berliner verteidigten gut. Die Bayern ließen Ball und Gegner laufen, übten beständig Druck aus. Die Dominanz blieb aber meist ohne Wirkung, Kritik die sich auch schon Guardiola in München gefallen lassen musste. Gegen Hertha BSC war das ebenso wenig Pech und Zufall wie bei der Niederlage in Leverkusen oder den nicht wirklich überzeugenden Rückrundensiegen gegen Hoffenheim und den VfB Stuttgart. Die Konkurrenz hat etwas aufgeholt, der FC Bayern hat Substanz verloren. Davon zeugen der 2:0-Hinrundensieg der Berliner in der Bundesliga und Tabellenplatz drei der Münchner.
Trainer Niko Kovac ist dennoch optimistisch. »Ja« - laut und deutlich beantwortete er die Frage, ob sein Team auch größeren Kalibern wie dem FC Liverpool in der Champions League gewachsen sei. Manchmal macht er einen etwas zu selbstsicheren Eindruck, stets zur Selbstverteidigung bereit. Vielleicht muss man das in München so machen. Für verpasste Verpflichtungen oder Fehlgriffe auf dem Transfermarkt ist er jedoch nicht verantwortlich.
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