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Früchte des Zorns
True Fruits macht nicht nur sexistische Werbung und steht für eine Mobbing-Kultur im Umgang mit Kritik, sondern hat auch keine Selbstironie
Wahrscheinlich hatten wir ihn alle in der Klasse: den blonden Marco, der so tat, als ob er alles könne, und stets mit allem durchkam. Am Nachmittag spielte er Fußball, abends tätschelten ihn die Eltern, tagsüber schrieb er durchschnittliche Noten und mobbte in den Pausen Mitschüler.
Da er aus normalem Haus kam, blond und Junge war, sah sich niemand veranlasst, etwas dagegen zu unternehmen, und außerdem waren die meisten Lehrer früher selbst dieser Marco. Heute sind Fußballmarcos Werbeheinis bei True Fruits und mobben auf Werbeflächen. Das könnte egal sein.
Paula Irmschler ist freie Autorin und kümmert sich an dieser Stelle alle 14 Tage um Dinge, denen man nur mit Heißdampf begegnen kann. Die Kolumne unter: dasND.de/abgebuegelt
Die Wege des Kapitalismus sind ergründlich, und was der Mainstream geil findet, kauft der Mainstream halt, und so ist auch der Siegeszug der Ekelplörre aus Bonn zu erklären. Engagement gegen einzelne Produkte, Boykottaufforderungen oder Beschwerden an den Werberat, das wird uns alles nicht die befreite Gesellschaft bringen, ist schon klar. Was uns aber in diese Richtung führt, sind faire Debatten und sich gewahr zu werden, wie und von wem sie geführt werden, wer sprechen darf und wem die Rationalität abgesprochen wird.
True Fruits macht gern Witze über schwarze Menschen und Frauen. Menschen kritisieren das. True Fruits hält es nicht aus und schießt zurück wie ein beleidigtes Kind. »Klar, wir spielen mit einer sexuellen Doppeldeutigkeit, aber die Doppeldeutigkeit entsteht ja im Kopf des Lesers«, wird beleidigt auf Facebook geschrieben, nachdem es zu dem Claim »abgefüllt und mitgenommen« Kritik gab, weil der ganz klar auf sexuelle Übergriffigkeit anspielt, von der die Marcos natürlich vorgeben, nichts zu wissen.
Kann man mit etwas spielen, ohne davon zu wissen? Nee. Es gibt also Menschen, die solche Sprüche nicht im öffentlichen Raum lesen wollen. Diese Kritik kann man doch aushalten und ernst nehmen, egal ob man deswegen etwas ändert. Stattdessen wird die Minderheit, die sich daran stört, immer wieder als »dumm« und »humorlos« diffamiert. Wo kommen wir denn auch hin, wenn Gemobbte plötzlich aufbegehren? Die Öffentlichkeit gehört seit jeher den Marcos dieser Welt, und das muss verteidigt werden.
Die Dummen, die Beleidigten, die Unsachlichen, die Hysterischen, die Empörten, die Leute, die sich überengagiert für etwas einsetzen, sind dabei natürlich immer die anderen. Während sich die True-Fruits-Anhängerschaft seit Tagen gar nicht mehr einkriegt, wird auf Argumente nicht eingegangen. Warum auch? True-Fruits-Humor ist einer, über den überall gelacht wird, der Hallen füllt und Regale. Trotzdem oder gerade deswegen müssen sie sich als Rebellen inszenieren, um sich nicht bewusst werden zu müssen, wie durchschnittlich sie eigentlich sind. Guter Humor braucht Selbstironie. Dafür sind sie allerdings zu dumm. Meine Meinung.
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