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Vertane Chance
Für Petra Sitte ist die EU-Urheberrechtsreform ein Geschenk an die Verlagsbranche
Wer dieser Tage versucht, sich über die Folgen des Entwurfs der europäischen Urheberrechtsreform zu informieren, ohne bereits knietief im Thema zu stecken, ist nicht zu beneiden. Mal ist von der Stärkung der Kreativen und der Zähmung der Internetriesen der Rede, mal von Uploadfiltern und dem Ende des freien Internets. Kaum eine Aussage bleibt unwidersprochen. Und sich durch fast hundert Seiten Juristenenglisch zu wälzen, ist für die Wenigsten das höchste der Gefühle.
Um Klarheit zu gewinnen, lohnt es sich zu prüfen, wessen Anliegen verhandelt wurden. Das sind in erster Linie die Interessen einer Lobby großer Verlage - insbesondere der Musik- und Zeitungsbranche. Diese haben dafür gesorgt, dass das bereits in Deutschland gescheiterte Leistungsschutzrecht für Presseverlage nun in verschärfter Form als Artikel 11 auf die Tagesordnung kam. Der viel zitierte Artikel 13, der Onlineplattformen zum Filtern ihrer Inhalte verpflichten soll, stammt von der gleichen Wunschliste - ebenso wie die Verlegerbeteiligung an Einnahmen von Verwertungsgesellschaften.
Dass etwas an diesen Neuerungen Kreativen zu Gute kommt, ist nicht zu erwarten. Zwischenzeitlich waren zwar einige Regelungen im Gespräch, die deren Rechte tatsächlich gestärkt und ihnen Vergütungsrechte für jede Nutzungsform ihrer Werke zugesichert hätten. Genau diese sind aber später erheblich abgeschwächt worden - und das auf Druck der Verlage. Dass diese kein Interesse daran haben, die Verhandlungsposition der Urheber*innen zu stärken, überrascht nicht.
Die Internetwirtschaft war dabei auf die Rolle reduziert, sich gegen Artikel 13 zur Wehr zu setzen. Nun sind Google, Facebook und Konsorten aus gutem Grund keine Sympathieträger. An vielen Stellen würde man sich staatliche Durchgriffe durchaus wünschen, wenn es etwa an das Bezahlen von Steuern geht. Die diskutierte Reform ist hier aber nahezu schmerzhaft kurzsichtig, denn gerade die großen Monopolisten werden die damit auferlegten Pflichten leichter stemmen können als kleine Plattformen und in der besseren Position für Lizenzverhandlungen sein.
Hier ist das deutsche Leistungsschutzrecht ein warnendes Beispiel. Und Facebook lobbyiert, wie inzwischen bekannt, hinter den Kulissen sogar für den Einsatz von Uploadfiltern für alles von Urheberrechtsverletzungen über Hate Speech bis Terrorismus. Man sieht darin wohl eine bequeme Möglichkeit, sich aus der Verantwortung zu nehmen.
Am unsichtbarsten waren aber die Anliegen derjenigen, die Werke nutzen und rezipieren. Von ein paar zaghaften Verbesserungen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich abgesehen, tauchen diese in der Reform überhaupt nicht auf - und werden doch von den zu befürchtenden Verwerfungen durch Artikel 11 und 13 direkt betroffen sein.
Denn auch wenn vieles in der Auslegung noch unklar bleibt: Harmlos sind diese Vorschläge sicher nicht. Ohne eine massive Ausweitung von Filtersystemen sind ihre Anforderungen nicht erfüllbar. Dass automatisierte Filter erlaubte von unerlaubten Nutzungen gar nicht unterscheiden können, wird in einem Anflug opportunistischer Technikgläubigkeit einfach ignoriert. Das Internet wird ein Stück unfreier und ein Stück unsicherer für kleine wirtschaftliche Akteure.
Mit dem ursprünglichen Vorhaben, ein europäisches Urheberrecht zu schaffen, das der Digitalisierung und heutigen Nutzungsformen gerecht wird und auf Interessensausgleich zielt, hatte das alles schon lange nichts mehr zu tun. Die Dominanz einzelner kommerzieller Interessen, maßgeblich der Verlagslobby, hat die Diskussion entgleisen lassen - und selbst wenn der desaströse Entwurf abgewendet werden kann, ist die Chance für einen Neuanlauf wohl für Jahre vertan.
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