Ökonom hält zweites Brexit-Referendum für unwahrscheinlich

Andrew Watt geht von einen Deal zwischen der EU und Großbritannien aus

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der Ökonom Andrew Watt rechnet nicht mit einem zweiten Referendum zum Brexit. Die Forderung von Jeremy Corbyn danach komme »nicht zufällig kurz nach dem publikumswirksamen Parteiaustritt einiger Labourabgeordneten«, sagt Watt, der als Abteilungsleiter am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung für die Forschung zur europäischen Wirtschaftspolitik zuständig ist im Interview mit »neues deutschland« (Mittwochsausgabe). »Allerdings: Eine positive Mehrheit im Parlament gibt es wohl auch für ein zweites Referendum nicht.«

Der gebürtige Brite Watt, der der Rücknahme des Brexit eine Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent gibt, hat wegen des Austritts Großbritanniens aus der EU bereits die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. »Ich habe mich erst im letzten Frühjahr dazu durchgerungen«, erzählt er. Wegen den schwierig verlaufenden Verhandlungen und der großen Unsicherheit, was kommen wird, habe er sich zu demselben Schritt entschieden, den viele seiner Landsleute in Kontinentaleuropa derzeit auch machen. »Die Anzahl der Einbürgerungen von Briten in Deutschland war 2017 mehr als zehn mal höher als 2015, und – da der Prozess auch etwas dauert – sind die Zahlen 2018 bestimmt nochmals deutlich angestiegen«, so Watt. Seine Lehre aus dem Brexit ist, »dass man die EU nicht als selbstverständlich ansehen darf«. Daher engagiere er sich unter anderem in der Bürgerinitiative »Pulse of Europe«.

Für Watt ist es am wahrscheinlichsten, dass es noch zu einem Deal zwischen der EU und Großbritannien kommt. Allerdings will er auch die Möglichkeit eines ungeordneten Brexit nicht ausschließen. »Eigentlich will nur eine kleine Minderheit der Abgeordneten einen harten Brexit«, sagt der Ökonom. Das Problem sei aber, »dass dies sozusagen eine Default-Option ist, wie man es in der Computersprache ausdrückt. Sie kommt automatisch zustande, wenn es keine positive Entscheidung gibt, sie zu verhindern. Quasi als Unfall, wenn die Blockade im Unterhaus nicht aufgelöst wird.«

Wie groß die Folgen eines harten Brexit sein werden, kann man Watt zufolge nicht quantitativ abschätzen, weil das Thema so komplex ist. »Es ist, als ob man einen Satz Spielkarten in die Luft wirft und schaut, wie sie sich am Ende sortieren.« Allerdings geht Watt davon aus, dass Großbritannien »vermutlich erst einmal eine starke Rezession erleben« wird. Die könne dann auch auf die deutsche und europäische Wirtschaft ausstrahlen. »Großbritannien ist zum Beispiel auch ein wichtiger Markt für die deutsche Automobilindustrie, was schon durch die Abwertung des Pfundes zu Problemen geführt hat.« nd

Das vollständige können Sie in der Mittwochsausgabe lesen: »So etwas wie den Brexit gab es noch nie«

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