Konflikt um »schwarze Augen«

Polizei überwacht Marienplatz in Schwerin per Funk-Video - Datenschutzbeauftragter hat Bedenken

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Mal prügelten Rechtsradikale auf Flüchtlinge ein, mal ließen Zuwanderer verschiedener nationaler Herkunft die Fäuste fliegen, mal betrunkene Deutsche. Nicht irgendwo in finsterem Viertel, sondern mitten im Zentrum der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns, auf dem Marienplatz in Schwerin. Neben sich häufenden Schlägereien machten dort auch grölende Neonazis und nicht zuletzt Diebe immer öfter polizeiliche Einsätze erforderlich. So oft, dass die Stadtvertretung Ende Januar 2017 mehrheitlich beschloss: Der Platz wird künftig mit Videokameras überwacht, zunächst in einer Testphase.

Acht »schwarze Augen« wurden installiert und per Funk mit der Polizei verbunden. Das Land zahlte rund 135 000 Euro für das Equipment, teilte Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) kurz vor Weihnachten 2018 mit: Die Kameras zeichnen den Marienplatz 24 Stunden durchgängig aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf. Was dort geschieht, werde sieben Tage lang gespeichert. Ziel sei es, vom vorläufigen zum dauerhaften Überwachungsbetrieb zu wechseln.

Doch schon der Testbetrieb stieß dem Datenschutzbeauftragten des Landes, Heinz Müller, sauer auf. Denn: Die drahtlose Bildübertragung sei nicht durch eine sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung vor Missbrauch geschützt. Im Klartext: Die Funksignale könnten auf dem Weg von den Kameras bis zur Polizei von Unbefugten »abgegriffen« und zu rechtswidrigen Zwecken genutzt werden.

Dies dürfe nicht geschehen, warnte der oberste Datenschützer und schrieb dem Innenministerium, dass ein Kameraeinsatz ohne Verschlüsselung auf der gesamten Sendestrecke gegen die Datenschutz-Grundverordnung verstoße. Mit diesem Hinweis begann der Hickhack zwischen beiden Seiten. Er fand Anfang Februar einen Höhepunkt, als Müller ein Verbot der drahtlosen Überwachung des Marienplatzes erließ. Inzwischen sind sowohl der Datenschützer als auch das Ministerium vor das Verwaltungsgericht gezogen, um ihre jeweiligen Standpunkte durchzusetzen.

Das Schweriner Innenministerium vertritt die Auffassung, der Videoeinsatz sei »eine rechtmäßige polizeiliche Maßnahme«, zumal die Datenschutz-Grundverordnung die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht vorschreibe und sie zu erheblichen Qualitätsverlusten der Aufnahmen führen würde, heißt es aus Caffiers Behörde. Sie will an der Überwachung festhalten, habe sie doch inzwischen zur Aufklärung von Straftaten beigetragen; auch sei die Funkübertragung dank anderer Maßnahmen durchaus sicher, so das Ministerium sinngemäß.

Der Marienplatz-Streit hat inzwischen über Schwerin hinaus für Reaktionen der politischen Ebene gesorgt. So betont der Innenexperte der LINKEN-Landtagsfraktion, Peter Ritter, das Agieren des Ministeriums im Zusammenhang mit der Videoüberwachung füge dem Datenschutz schweren Schaden zu. Der Kameraeinsatz in Schwerin solle sofort beendet werden. Und die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern, die derzeit nicht im Parlament vertreten sind, geben durch ihr Vorstandsmitglied Mathias Engling zu bedenken: Aufnahmen von politischen Veranstaltungen auf dem Platz könnten Aufschluss über die politische Meinung der Anwesenden geben, und Videos von Menschen »in traditionellen Gewändern« vermittelten Informationen über deren religiöse Überzeugung. Bilder von sich küssenden Pärchen schließlich »zeigen deren sexuelle Orientierung«, befürchtet Engling.

Das Verwaltungsgericht indes hat am Montag bekannt gegeben: Es wird dort ein richterliches Güteverfahren stattfinden. Womöglich finden Ministerium und Heinz Müller dabei einen Weg aus dem Konflikt um die schwarzen Polizeiaugen.

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