- Politik
- Framing
Innerlich schon ganz verglimpft
Velten Schäfer schafft »Framing« ab - zumindest als Modewort
Wer sich je mit dem »Gallischen Krieg« befassen musste, weiß: Wenn Caesar schreibt, er habe diese oder jene Zahl Helvetier, Germanen oder Gallier »als Feinde behandelt«, heißt das: »Ich habe Kriegsgefangene oder Zivilisten massakrieren lassen.«
Es ist bemerkenswert, dass Caesar hier zur Verklausulierung greift. Wird sein Bericht ja gerade wegen seiner unverstellten Sprache bis heute schulisch durchgekaut. Gab es schon damals Konventionen, die ihn veranlassten, seine Mord- unter seinen Heldentaten sprachlich etwas zurückzunehmen? In der Formulierung »als Feinde behandeln« ist Rechtfertigung: Man denkt an bedrohliche Gegner statt hilflose Opfer.
Der glänzende Redner erweist sich hier auch schriftlich als Experte darin, durch Worte und Wendungen mit gewollter Vorprägung bestimmte Deutungen nahezulegen. Der Trick ist seit den Griechen und Römern als »Euphemismus« bekannt, das Deutsche kennt dafür schöne Ausdrücke wie »Glimpf-« oder »Hehlwort«. Doch weil das Geschäft gesellschaftsbezogener Wissenschaft darin besteht, das Rad stets brandneu zu erfinden - und das Rom unserer Tage Englisch spricht -, ist von »Framing« die Rede, wenn sich die ARD von einer »Kognitionsforscherin« empfehlen lässt, im Eigenlob Stanzen wie »öffentlich-rechtlicher Rundfunk« durch Wirvokabular à la »unser gemeinsamer, freier Rundfunk« zu ersetzen: Das holt Sie jetzt ab, nicht wahr?
Der Skandal besteht nun nicht in einer »Umerziehung«, wie die Organe für großbuchstabige Kakophemismen plärrten. Er liegt darin, dass die ARD als selbst verstandenes Schatzkästlein der vorzüglichsten Bild-, Sprach- und Sprachbildkundigen Zigtausend Euro aus Gebühren - Entschuldigung: aus Ihrer »monatlichen Beteiligung« - für ein mit allerlei entfernt theorieähnlichem Anglo-Blabla gespicktes Kompendium des Naheliegenden rausgeschmissen, nein sorry: für Ihre Demokratie angelegt hat. Kann eine Anstalt, die seit jeher von »Krieg« spricht, wenn die Anderen schuld sein sollen, während das Wir »humanitär interveniert«, die Schröders Angriff auf die Unterklassen mit Wortketten wie »unvermeidbare tief greifende Strukturreform« oder Sportallegorien à la »Schlanker Staat« verhehlte, sich derlei nicht selbst ausdenken?
Wenn wirklich nicht, wäre das Folgende die Lehre: Die Sprache der Verglimpfung ist dort so verinnerlicht, dass sie nicht mehr als Technik verstanden werden kann - und nicht mehr bewusst eingesetzt, auch nicht in eigener Sache. Das ist die pessimistische Konklusion. Es könnte freilich auch so sein, dass jemand jene Forscherin und ihre Kognitionen einfach nur schick fand. Das wäre dann zwar blanke Verschwendung, aber hey: Man überträgt ja auch den Biathlon.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.