Rückkehr nach Venezuela als Kampfansage

Juan Guaidó von ausländischen Botschaftern am Flughafen von Caracas empfangen

  • Tobias Lambert
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie angekündigt ist der selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaidó am Montag nach Venezuela zurückgekehrt. Mit einem Linienflug aus Panama landete er mittags auf dem Hauptstadtflughafen in Maiquetía nahe Caracas. Dort konnte er entgegen den Drohungen und Gerüchten der vergangenen Tage unbehelligt einreisen. »Sie begrüßten mich mit ›Willkommen Präsident‹«, berichtete Guaidó über die Migrationsbeamten. In der Ankunftshalle warteten die Botschafter mehrerer Staaten, die ihn als Übergangspräsidenten anerkannt haben, darunter auch Deutschlands. Außerhalb des Flughafengebäudes jubelten Guaidó zahlreiche Anhänger zu, bevor er weiter nach Caracas fuhr, um dort auf einer zeitgleich anberaumten Kundgebung der rechten Opposition zu sprechen.

Trotz eines vom Obersten Gericht verhängten Ausreiseverbots hatte Guaidó Venezuela am 22. Februar verlassen, um in der kolumbianischen Grenzstadt Cúcuta das Konzert »Venezuela Aid Live« zu besuchen. Dieses diente der Unterstützung seines Versprechens, am Folgetag und gegen den Willen der Regierung Maduro Hilfsgüter nach Venezuela zu bringen. Die von Organisationen wie den Vereinten Nationen und dem Roten Kreuz als »politisch« kritisierte Hilfe scheiterte jedoch: An der Grenze kam es zu Gewalt. Auch das erklärte Ziel, mit der Lieferung einen Keil in das venezolanische Militär zu treiben, erreichte Guaidó nicht. Anschließend unternahm er eine mehrtägige Lateinamerikareise nach Brasilien, Paraguay, Argentinien, Peru und Ecuador, wo er sich mit den jeweiligen Präsidenten der Länder traf.

Diese empfingen ihn zwar wie einen Staatschef, die lateinamerikanischen Regierungen hatten sich jedoch vergangene Woche klar gegen eine mögliche US-Militärintervention ausgesprochen. Guaidó selbst hingegen will sich, ebenso wie die US-Regierung, »alle Optionen« offen halten. Mehr als einen Monat nach seiner Selbstausrufung zum Interimspräsidenten am 23. Januar steht er somit weitgehend mit leeren Händen da. Zwar hat er die Rückendeckung gewichtiger Teile der venezolanischen Bevölkerung, der USA und mehr als 50 weiterer Regierungen. Kompetenzen als Interimspräsident übt er bisher jedoch nur außerhalb Venezuelas aus. Der Umsturzversuch droht sich somit in die Liste der glücklosen Versuche der letzten Jahre einzureihen, Maduro abzusetzen. Da der Plan eines zeitnahen Machtwechsels in Caracas nicht aufgegangen ist, muss Guaidó um jeden Preis die Mobilisierung der Oppositionsanhänger aufrecht erhalten. Denn sollte der Protest abebben, dürften die Streitereien innerhalb der rechten Opposition wieder aufleben und Präsident Nicolás Maduro gestärkt aus dem Machtkampf hervor gehen. Vergangene Woche hatte dieser gesagt, Guaidó könne nicht einfach »kommen und gehen«, sondern müsse sich aufgrund der Missachtung des Ausreiseverbots vor Gericht verantworten.

Andere Regierungsmitglieder drohten direkt mit der Festnahme des selbst erklärten Übergangspräsidenten. Guaidó hielt dagegen und bezeichnete eine mögliche Festnahme als »einen der letzten Fehler«, den die Regierung Maduro machen könnte. Seine Anhänger rief er für den Fall zu Protesten auf. John Bolton, der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump betonte, jegliches Vorgehen gegen Guaidó werde eine »starke und bedeutende Antwort der USA und der internationalen Gemeinschaft« nach sich ziehen. Mit seiner Rückkehr hat es Guaidó einmal mehr geschafft, mediale Bilder zu seinen Gunsten zu erzeugen. Er kann sich nach den Rückschlägen der vergangenen Wochen nun als jemand präsentieren, der vermeintlich doch über ein Stück Macht innerhalb Venezuelas verfügt, da es die Regierung trotz Androhung nicht gewagt hat, ihn gleich bei der Einreise festzunehmen. Dies könnte Guaidó aber durchaus noch in den nächsten Tagen blühen. Bisher ist unklar, welche Strategie die Regierung verfolgt - offizielle Äußerungen gab es zunächst weder seitens Maduro noch des regierungstreu besetzten Obersten Gerichts. Seinen größten Widersacher gewähren zu lassen, könnte Maduro als Schwäche ausgelegt werden. Eine Festnahme birgt die Gefahr einer gewalttätigen Eskalation und einer erneuten Erhöhung des internationalen Drucks. Andererseits bleibt durch eine abwartende Haltung zumindest die Chance auf einen Dialog.

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