- Politik
- Politischer Aschermittwoch
Frisch und jung - vergelt’s Gott!
Politische Routinen am Politischen Aschermittwoch / Markus Söder und Manfred Weber taten ihre Pflicht in Passau
Der Ursprung des Politischen Aschermittwoch liegt recht eindeutig in Bayern. In Vilshofen, um genau zu sein. Vor Hunderten von Jahren schon ging es auf dem Vieh- und Rossmarkt hoch her, und vor genau 100 Jahren dann rief der Bayerische Bauernbund erstmals zu einer Kundgebung auf, deren Verlauf offenbar als Vorbild zum heute üblichen Politischen Aschermittwoch taugt. Kein Wunder, dass die CSU an diesem Tag einen Anspruch auf die urigste Veranstaltung erhebt, obwohl sie mit dem Ursprung gar nichts zu tun haben konnte; schließlich gab es sie 1919 noch gar nicht.
Die eigentlich explosive Mischung aus Volksfest, Alkohol und politischem Stammtisch passt immerhin zur CSU. In Vilshofen versammelte sich allerdings die SPD. Explosiv war freilich nichts an den Aschermittwochauftritten der Parteien. Auch nicht bei der CSU. Selbst wenn Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, der aus Passau stammt, wo sich über 4000 Menschen in der Dreiländerhalle drängelten, begeistert feststellte, dass der Aschermittwoch jung geblieben sei und frisch - dank der CSU-Mitglieder. »Vergelt‘s Gott!«
Die Parteien schickten ihre Kandidaten zur EU-Parlamentswahl ins Rennen. So hielt Manfred Weber eine Art Bewerbungsrede und erklärte, dass »ich Brücken bauen kann«, um dann den neuen Grenzzaun im bulgarischen Burgas zu loben, der Flüchtlinge aus der Türkei fernhalten soll, die in die EU gelangen wollen. Ministerpräsident Markus Söder, der zeigen wollte, dass er bessere Büttenreden halten kann als sein Amtsvorgänger Horst Seehofer, versprach, die Einzigartigkeit Bayerns zu verteidigen und kritisierte Seehofer indirekt, weil die Bundesregierung die Integrationsförderung kürzen wolle. Und US-Präsident Trump kritisierte der Ministerpräsident, weil dieser bayerische Autos mit höheren Zöllen belegen will. Deutsche Panzer gefährdeten die Sicherheit nicht, nur deutsche Autos, spottete Söder mit Blick auf die Forderungen Trumps nach höheren Rüstungsausgaben der NATO-Partner. Auch an den Grünen ließ Söder kein gutes Haar und erteilte einer schwarz-grünen Zusammenarbeit eine Absage. Die CSU wolle nicht nur die Bienen retten, sondern auch die Bauern, rief Söder. Und bei »allem Verständnis für die schwierige Lage der SPD« lehnte Söder deren Vorschläge zu Grundrente ab. Auch für die Schülerstreiks am Freitag für eine sichere Zukunft kann sich Söder nicht erwärmen. »Ich hätte auch gern während Latein demonstriert!« Am Samstag gebe es genug Zeit und Ruhe zu demonstrieren.
Schülerstreiks und »hüpfende Schüler« in der Unterrichtszeit findet auch die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Nicola Beer, nicht gut, die sich in Dingolfing in Rage redete und davor warnte, wie der »hüpfende Freitag« um sich greifen werde. Da befand sie sich ungewollt auf einer Linie mit der AfD, deren niederbayerischer Bezirkschef Stephan Protschka die 16-jährige schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg als »autistische Greta« bezeichnete.
Dagegen verteidigten die Grünen die Freitagaktionen der Schüler. In Biberach fand der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann: »Es macht Mut, was die jungen Leute machen.« Katarina Barley, die Spitzenkandidatin der SPD zu den EU-Wahlen im Mai ist, sprach sich für ein soziales Europa aus und spottete über die Grenzsicherungen der bayerischen Landesregierung. 16 000 Polizisten an der bayerischen Grenze hätten ganze elf Flüchtlinge zurückgeschickt. Welch ein Aufwand!
Auch wenn Klaus Ernst für die LINKE die SPD bei einem Auftritt in Passau heftig für ihre Halbherzigkeit in sozialen Belangen kritisierte - hierin stimmte er mit Barley überein. Überall gebe es Grenzübergänge ohne Kontrollen. »So blöd, wie der Horst Seehofer meint, ist nicht einmal der Schleuser.« Parteivizevorsitzende Janine Wissler forderte ihre Genossen auf: »Lasst uns für die Veränderung der Welt kämpfen!«
Am Abend erst hatte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ihren geplanten Auftritt im mecklenburgischen Demmin, wo bisher immer Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgetreten war. Schon zuvor erteilte Markus Söder ihr seine Absolution. Zwischen ihr und ihm werde sich der Streit der Schwesterparteien nicht wiederholen. Denn: »Es gibt eine neue Linie der CDU, die die alte der CSU ist.«
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