- Wirtschaft und Umwelt
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Kleine Höfe versus Großbetriebe
Auf einer Fachtagung der Linkspartei werben Umweltschützer und Bauernverband für unterschiedliche Wege in der Landwirtschaft
Als sein Name und seine Rolle an diesem Vormittag das erste Mal genannt werden, bekommt Burkhard Vogel noch höflichen Applaus. Doch als der Landesgeschäftsführer des Thüringer Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) dann ein paar Minuten später in einem Saal eines Bürgerzentrums in Sömmerda ans Rednerpult tritt, da rührt sich keine Hand mehr.
Das könnte damit zusammenhängen, dass die ganze Zeit über große Unruhe im Saal herrscht. Menschen in den hinteren Reihen laufen ständig hinaus und wieder herein, Türen schlagen, Geschirr klappert und bisweilen klingelt ein Handy. Auch als Thüringens Landwirtschaftsministerin Birgit Keller (LINKE) vor Vogel spricht und beschwört, nur wenn man Landwirtschaft und Umweltschutz zusammendenke, könnten sowohl die Bauern als auch die Umweltschützer in Zukunft zufrieden sein. Die Bienen ebenso wie die Kartoffeln. Die Verbraucher ebenso wie die Erzeuger.
Doch spätestens als bei Vogels Ausführungen einzelne Zuhörer in den Raum rufen »Das ist doch falsch«, ist klar, dass es nicht die Unruhe ist, die den zweiten Applaus für Vogel verhindert hat. Sondern dass die Landwirte und ihre Vertreter im Raum Vogel nicht unbedingt lieben. Der Präsident des Thüringer Bauernverbandes, Klaus Wagner, erzählt ein paar Minuten später sogar, manche würden witzeln, wenn der Bauernverband und der BUND aufeinanderträfen, sei das oft so konfliktreich, dass man dafür von Zuschauern Eintritt nehmen könnte. Dann schiebt Wagner noch nach: Aber die Dialoge zwischen den beiden Vereinigungen seien schon produktiv.
Und vielleicht ist das wirklich so, denn auch Keller sagte, bei all den widerstreitenden Interessen beim Thema Landwirtschaft sei es doch zuletzt immer wieder gelungen, gute Kompromisse zu finden. Allerdings lässt die von der Bundestagsfraktion der Linken organisierte Fachtagung mit dem Titel »Neue Wege übers Land - Agrarumweltpolitik in Deutschland« keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Diskussion um die Ausrichtung der neuen EU-Agrarpolitik so dermaßen feststeckt, dass kaum vorstellbar ist, wie dabei in naher Zukunft eine Lösung gefunden werden soll, die alle Seiten zufriedenstellt. Zu unterschiedlich sind die Standpunkte von Interessenvertretern wie Vogel und Wagner. Eher deutet alles darauf hin, dass die EU-Agrarzahlungen demnächst nach einem Modell verteilt werden dürften, mit dem am Ende kaum jemand zufrieden sein wird.
Denn Vogel auf der einen Seite nutzt diese Konferenz, um erneut dafür zu werben, was Umwelt- und Naturschützer schon seit Jahren von der Landwirtschaft wollen: weg von der Masse, weg vom Weltmarkt, hin zu Qualität und Region. Im Wissen, dass diese Transformation mehr als die etwa 60 Milliarden Euro kosten wird, die die EU pro Jahr als Agrarsubventionen an vor allem an große europäische Landwirtschaftsbetriebe gibt. So sagt Vogel beispielsweise, mit dem EU-Agrargeld müssten in Zukunft vor allem solche Unternehmen gefördert werden, die Lebensmittel für die Region herstellten, in der sie ihren Sitz haben. Das Ziel dieser Förderung dürfe mithin nicht mehr sein, dass Thüringer Landwirtschaftsbetriebe für die Weltmärkte produzierten. Es müssten kleine Privatbauernhöfe viel stärker als bisher unterstützt werden. Was freilich die ostdeutsche Agrarbranchen besonders stark treffen würde, sind doch Landwirtschaftsbetriebe hier in der Regel ziemlich groß, ein Erbe der LPG-Strukturen.
So, wie Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten mehrheitlich betrieben worden sei, sagt Vogel, habe das zu einem massiven Artensterben geführt, das nicht ohne Folgen für die Menschen bleiben werde.
Bauernvertreter Wagner hingegen stellt die Versorgung der Menschen mit bezahlbaren Lebensmitteln in den Vordergrund seines Werbens für große Landwirtschaftsbetriebe. Diese sollten nach dem Willen seines Verbandes auch in Zukunft möglichst viel von den EU-Agrarsubventionen erhalten. Nicht nur, dass der Kunde entscheide, welche Produkte die Landwirtschaft herstelle. Wenn Thüringer keine im Freistaat angebauten Kartoffeln kauften, dann bliebe den Landwirten nichts anderes übrig, als Getreide anzubauen, findet er.
Zudem sei der Blick auf kleine Bauernhöfe oft romantisiert, die Arbeitsbedingungen bei großen Landwirtschaftsbetrieben seien oft besser. »Wir haben hier tarifgebundene Arbeitsplätze«, sagt Wagner. Dort verdienten die Beschäftigten meist mehr Geld als in der für Thüringen so wichtigen Logistikbranche. Für die Mitarbeiter gelte auch das Arbeitszeitgesetz. Wer nachts um ein Uhr dabei helfe, ein Kälbchen auf die Welt zu bringen, der könne nicht um sechs Uhr morgens wieder an der Melkmaschine stehen, sagte Wagner. Bei kleinen Privatbauern würden solche Einschränkungen nicht gelten.
Immerhin bekommt auch Vogel am Ende seiner Ausführungen noch einmal höflichen Applaus. Man muss ja irgendwie weiterhin miteinander sprechen.
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