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Beschäftigte in Streiklaune
Die Tarifverhandlungen bei den Verkehrsbetrieben sind festgefahren
»Die Verhandlungen gestalten sich äußerst schwierig«, sagt ver.di-Gewerkschaftssekretär Jeremy Arndt zu den seit Mitte Dezember 2018 laufenden Tarifgesprächen für die rund 14 700 Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). »Wir verhandeln schon seit rund drei Monaten«, zeigt sich der Verhandlungsführer der Beschäftigtenseite entnervt. So wie es aussieht, könnte es nicht nur bei dem einen Warnstreiktag Mitte Februar bleiben. Auch mit dieser Frage wird sich die seit Dienstagnachmittag tagende Tarifkommission beschäftigen müssen. Beschlüsse in dieser Richtung werden jedoch frühestens am Abend fallen, nach Redaktionsschluss dieser Seite.
Das, was der Kommunale Arbeitgeberverband Berlin (KAV) für die BVG-Beschäftigten angeboten habe, höre sich zunächst gut an, so Arndt. Rund elf Prozent mehr Geld für die niedrigeren Lohngruppen bis Stufe 7 sowie sieben Prozent Lohnplus für alle höher eingruppierten Mitarbeiter, was insgesamt einer zehnprozentigen Tarifsteigerung entspricht.
Doch in dem Papier, das »im zweiten Schritt rübergereicht« wurde, gebe es viele Forderungen, die eine weitere Verdichtung der Arbeit bedeuteten, erklärt der Gewerkschaftssekretär. Dienstschichtlängen sollten verlängert, die Mindestwendezeit von vier Minuten an Endstellen gestrichen und die wöchentliche Arbeitszeit freiwillig phasenweise auf 45 Stunden erhöht werden. »Summa summarum würde das nicht unbedingt helfen, dass der Krankenstand sinkt«, ist Arndt überzeugt. »Das vorgelegte Angebot hat für totales Unverständnis bei den Kolleginnen und Kollegen gesorgt«, berichtet Arndt.
Auch bei der BVG zeigt man sich irritiert ob des Verlaufs der Gespräche. Es gehe darum, Verhandlungsspielräume auszuloten, heißt es aus Unternehmenskreisen. »Wir haben Ende Februar ein Angebot auf den Tisch gelegt, das 65 Millionen Euro Mehrausgaben pro Jahr entspricht. Tatsächlich hat die Tarifkommission mit uns bisher nicht darüber verhandelt«, sagt BVG-Sprecherin Petra Nelken.
Arndt kritisiert, dass in den niedrigsten Entgeltgruppen nicht einmal der geplante Vergabe-Mindest-Stundenlohn von 11,30 Euro erreicht werde. »Wir stellen gar keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Entgeltgruppen 1 und 2 ein«, entgegnet Nelken. »Das sind alles in der Regel Altbeschäftigte, die einen Sicherheitsbetrag bekommen.« Die rund 500 Beschäftigten dieser Kategorie, zum Beispiel Pförtner, können oft ihre frühere Tätigkeit im Fahrdienst nicht weiter ausüben. Da sie meist vor 2005 eingestellt wurden, erhalten sie monatlich mehrere hundert Euro, um die Differenz zum niedrigeren Niveau des damals eingeführten Tarifvertrags Nahverkehrs auszugleichen - den sogenannten Sicherungsbetrag.
Die Tarifkommission fordert auch die generelle Absenkung der Arbeitszeit von 39 auf 36,5 Stunden. Hier hat die BVG sofort klar gemacht, dass sie dafür keine Chance sieht. Denn statt 1350 neu einzustellenden Mitarbeitern 2019 müsste das Landesunternehmen dann noch 500 weitere suchen. »Betriebsgefährdend« wird die Umsetzung eines solchen Schritts hinter vorgehaltener Hand genannt. »Wenn ver.di auf das Tarifangebot einsteigen würde, könnte jeder Fahrer individuell seine Arbeitszeit auf 36,5 Stunden reduzieren und hätte trotzdem pro Monat über 90 Euro mehr in der Tasche«, sagt Nelken.
Tatsächlich würde der Einstiegslohn für einen Fahrer rückwirkend zum 1. Januar von rund 2170 auf etwa 2410 Euro pro Monat steigen. Damit sei das von ver.di geforderte Niveau eines Müllfahrers der Berliner Stadtreinigung ohne Berücksichtigung der Schmutzzulage fast erreicht, heißt es aus BVG-Kreisen. Knapp 40 Euro fehlen allerdings noch.
»Die Kolleginnen und Kollegen sind so spontan, dass sie sofort in einen Streik gehen können«, sagt Arndt. Die nächste offizielle Tarifrunde ist für den 28. März angesetzt. Inoffiziell gesprochen werden soll schon am Montag.
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