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- Ein Jahr GroKo
Wieder etwas Sozialstaat
Die »GroKo« hat in ihrem ersten Jahr etliche Forderungen der SPD umgesetzt
Christdemokraten werfen Kanzlerin Angela Merkel seit langem vor, sie sei eigentlich eine in der Wolle gefärbte Sozialdemokratin. Und da ist durchaus was dran, zumal die SPD letztlich seit 20 Jahren die gleiche neoliberale Agenda verfolgt wie die CDU.
Bei der Bundestagswahl 2017 haben gleichwohl alle Parteien der Großen Koalition heftig Federn gelassen, wohl vor allem wegen der Debatte um den vermeintlich zu großzügigen Umgang mit Hunderttausenden Geflüchteten im Spätsommer 2015. Profitiert hat vor allem die rechte AfD, aber auch die FDP, die ebenfalls mit dem Schüren von Ängsten vor Fremden und Forderungen nach einem härteren Abschieberegime gepunktet hatte.
Die Unionsparteien versuchten im Herbst 2017 zunächst, ein Bündnis mit Grünen und FDP zu schmieden, das aber an den Liberalen scheiterte. Nach Intervention von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) entschieden sich die Sozialdemokraten nach einem Mitgliedervotum, das knapp »pro GroKo« ausging, für eine Fortsetzung des Mitregierens. Nach dem für die SPD desaströsen Wahlergebnis von 20,5 Prozent hatten ihr gescheiterter Kanzlerkandidat Martin Schulz wie auch der SPD-Vorstand zunächst eine Fortsetzung des Bündnisses mit der Union für ausgeschlossen erklärt.
In den Koalitionsverhandlungen konnte sich die SPD nach ihren Maßstäben sozialpolitisch in vielen Punkten durchsetzen. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes zur Finanzierung teurer Vorhaben war dagegen für die SPD nie ein Thema. Und auf die im Wahlkampf geforderte Wiedereinführung der 1997 ausgesetzten Vermögenssteuer verzichteten die Sozialdemokraten schnell.
Auf der Habenseite stehen für die Sozialdemokraten nach einem Jahr neue GroKo unter anderem das »Gute-Kita-Gesetz« und das »Starke-Familien-Gesetz«. Ersteres ist am 1. Januar in Kraft getreten und beinhaltet eine »Qualitätsoffensive« für Kindertagesstätten und eine Reduzierung der Gebühren insbesondere für ärmere Familien. Letzteres ist im Februar vom Kabinett beschlossen worden. Der Bundestag muss dem Gesetz noch zustimmen, das eine Erhöhung des Kinderzuschusses für Geringverdiener von 170 auf 185 Euro pro Kind und Monat und Verbesserungen beim »Bildungs- und Teilhabepaket« für Kinder im Hartz-IV-Bezug beinhaltet. Das Kindergeld wird jedoch weiter auf die Sozialleistung angerechnet. Eltern, die das Arbeitslosengeld (ALG) II beziehen, bekommen es also immer noch nicht.
Das Problem beim »Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung«: Die Länder können allein entscheiden, wofür sie die dafür vom Bund bereitgestellten 5,5 Milliarden Euro einsetzen.
Ein Geschenk für die Immobilienwirtschaft und für Familien mit mittlerem Einkommen ist das zum 1. Januar in Kraft getretene sogenannte Baukindergeld, mit dem der Kauf und Bau von Häusern bzw. Wohnungen gefördert wird. Für Mieter sind dagegen von der GroKo nur marginale Verbesserungen geplant bzw. bereits umgesetzt.
Für abhängig Beschäftigte gibt es seit Januar das Recht auf eine zeitlich befristete Reduzierung der Arbeitszeit. Auch die sogenannte Brückenteilzeit geht auf eine Gesetzesinitiative der SPD zurück. Die Arbeitszeit kann nach dem neuen Gesetz für ein bis fünf Jahre zurückgefahren werden. Der Pferdefuß: Das Recht darauf gibt es nur in Unternehmen mit mindestens 45 Beschäftigten, und Firmen mit 46 bis 200 Mitarbeitern müssen es nur 6,7 Prozent der Kollegen gewähren.
Einige Verbesserungen gibt es für Menschen, die ihren Job verlieren. Ein Anrecht auf Arbeitslosengeld (ALG) I bekommen sie seit Beginn dieses Jahres, wenn sie in den letzten 30 Monaten zwölf Monate lang Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Zuvor musste man innerhalb der letzten zwei Jahre zwölf Beschäftigungs- bzw. Beitragsmonate nachweisen. Für Menschen mit zuvor niedrigen Löhnen ist das finanziell keine Verbesserung. Ihnen werden lediglich noch nicht ihre Ersparnisse auf ihre Bezüge angerechnet.
Eine leichte Entlastung hat die GroKo für die 56 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen beschlossen: Seit dem 1. Januar müssen Unternehmer wieder die Hälfte des gesamten Beitrags zahlen. Die sogenannte Parität hatte die damalige Bundesregierung von SPD und Grünen im Jahr 2005 abgeschafft, indem sie einen vom Versicherten allein zu tragenden Zusatzbeitrag einführte.
Außerdem hat die GroKo die in der vergangenen Legislatur von der damaligen Sozialministerin und heutigen SPD-Chefin Andrea Nahles geforderte »doppelte Haltelinie« bei der Rente beschlossen. Das heißt: Einerseits wird das Rentenniveau auf dem derzeitigen Niveau von 48 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns »eingefroren«. Andererseits sollen die Rentenbeiträge nicht über 20 Prozent des Bruttoentgelts steigen. Nach den von SPD und Grünen bis 2005 beschlossenen Rentenreformen hätte das Niveau der gesetzlichen Rente weiter auf 43 Prozent absinken können.
Trotz dieser Maßnahmen kommt die SPD nicht aus dem Umfragetief. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass Erwerbslose, Arbeiterinnen und Arbeiter wenig davon haben. Denn Folge der Agenda 2010 von Gerhard Schröder (SPD) war die Etablierung des größten Niedriglohnsektors in Europa, wie der Exkanzler selbst stolz verkündete. Das bedeutet trotz des mittlerweile existierenden gesetzlichen Mindestlohns: Wo wenig Einkommen ist, fallen Beitragsreduzierungen und die Stabilisierung des im Vergleich zur Ära von CDU-Kanzler Helmut Kohl bereits dramatisch niedrigen Rentenniveaus kaum ins Gewicht. Steigende Mieten und hohe Verbrauchssteuern belasten ärmere Menschen hingegen unvermindert weiter.
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