• Berlin
  • Luxusmodernisierungen

Verdrängung nach 53 Jahren?

Friedrichshainer Mieter kämpfen gegen Luxusmodernisierungen der Fortis Group

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Das hier ist mein Kiez. Ich wurde gleich um die Ecke, in der Frankfurter Allee 42, geboren.« Alfred Fromm ist Friedrichshainer durch und durch. In diesem Jahr feiert er seinen 84. Geburtstag.

Seit 1966 wohnt Fromm mit seiner Frau in der Wohnung des Eckhauses Samariterstraße 8 / Rigaer Straße 35. Eigentlich möchte Sigrid Fromm nichts sagen, springt dann aber doch ihrem Mann bei: »Wir können hier alles erlaufen, die U-Bahn, all die Ärzte, die mein Mann braucht.« Als sie von dem Moment erzählt, als die Modernisierungsankündigung für ihr Haus im Briefkasten liegt, kommen ihr die Tränen.

Die erhalten alle der 24 Mietparteien der insgesamt drei Häuser von der Verwaltung ihrer neuen Eigentümerin Fortis Group am 28. Dezember 2018. Das Datum ist kein Zufall. Es liegt genau in dem zwei Wochen dauernden Zeitraum zwischen altem und neuem Mietrechtsanpassungsgesetz: Zum 1. Januar 2019 trat bundesweit der verbesserte Mieterschutz in Kraft, der vor allem die sogenannte Modernisierungsumlage betrifft. Nur noch zu acht Prozent dürfen Kosten, die bei Modernisierungen anfallen, auf die Jahresmiete umgelegt werden. Außerdem ist eine Kostenobergrenze festgelegt.

»Wir sind nur eine von vielen in Berlin betroffenen Mietergemeischaften.« Synke K., sie möchte ihren vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen, wohnt seit über 20 Jahren in einem der Vorderhäuser. Engagiert berichtet sie, wie die Mietergemeinschaft sich nach der Ankündigung zusammenfand: »Ganz schnell haben wir über die Fortis Group recherchiert und Berichte über die Lenbachstraße und die Maximilianstraße gefunden: Gleicher Eigentümer, gleiche Verwaltung, gleiches Vorgehen.«

Der Berliner Mieterverein schrieb bereits im Oktober 2018 über die Maximilianstraße 46 in Pankow, die »Berliner Zeitung« über die Lenbachstraße 7 in Friedrichshain. In Pankow wurden die Mieten nach dem Kauf durch die Fortis verdreifacht - begründet mit entsprechenden Modernisierungsvorhaben, unter anderem einem gläsernen Fahrstuhl mit Wänden aus geschliffenem Edelstahl. »Zeitgemäße Maßnahmen« nennt es die GmbH. »Luxusmodernisierung mit dem Ziel eines profitorientierten Weiterverkaufs« nennt es dementsprechend der Rechtsanwalt der dortigen Mietergemeinschaft, Kai-Uwe Agatsy.

Auf der Website der Firma kann man sich entlang Dutzender Portfolios dort angebotener Wohnungen überzeugen: Die Fortis kauft nicht erst seit gestern Berliner Altbauten auf, die sie in Eigentum umwandelt, nicht ohne sie zuvor durch Mietsteigerungen via Modernisierung langsam entmietet zu haben.

Geschäftsführer Mark Peter Heydenreich hat laut Handelsregister in den vergangen vier Jahren gleich mehrere Dutzend Unternehmen zum Ankauf von Immobilien in der Region gegründet. Heydenreich war für Nachfragen des »nd« nicht zu sprechen. Synke K. und Birgit K. wissen, dass ihr Haus der Projekt-F22 Alpha GmbH der Fortis Group gehört. »Auf der Website findet man auch eine GmbH mit der Nummer F40. Wir gehen davon aus, dass noch viel mehr Mieterinnen in Berliner Häusern, die jetzt Fortis gehören, von ähnlichen Verdrängungsvorhaben betroffen sind. Wir versuchen jetzt, sie ausfindig zu machen und uns mit ihnen zu organisieren.« Auf jeden Fall wollen sie am 6. April an der Demonstration gegen den »Mietenwahnsinn« teilnehmen.

Zuvor lädt die Mietergemeinschaft für diesen Samstag, alle, die sich solidarisieren und für ihren Protest interessieren, zu einer Protestaktion vor ihrem Eckhaus ein. »Lieber was machen, als nichts machen.« Synke K. ist sich sicher, dass alles besser ist, als »immer weiter zu zittern«. Sie glaubt fest an den gemeinschaftlichen Protest - »die Gesetze lassen doch noch viel zu viele Schlupflöcher.«

»Als wir hier eingezogen sind, waren wir die Jüngsten« sagt Sigrid Fromm leise. »Es war immer sehr menschlich hier. Das gibt es doch so selten. Und jetzt, wenn man so ängstlich ist, gibt es uns auch Halt. Was machen wir denn, wenn die hier in zwei Wochen an der Tür klingeln?« »Niemanden reinlassen.« sagt Synke K. kämpferisch. Sigrid Fromm lächelt und umarmt ihre Nachbarin.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -