Käuze und Kämpfer
Armin Stolper wird 85
Er ist ein leiser Mensch. Im Schatten großer Bühnen und dramaturgischer Pflichten hat er Stücke geschrieben; alle sehr eigenwillig, einige trotzdem erfolgreich. In welchem Buch jetzt erneut blättern? Nehmen wir die »Lausitzer Bekenntnisse«: Erzählungen, Erinnerungen, Traktate. Der Faden, der alles lose zusammenhält, geht von dem schönen Satz aus: »Du sollst einen Baum für wichtiger halten als eine Erfindung von Picasso.«
Armin Stolper ging im Grunde immer den Wurzeln seines Daseins nach. Breslau, Quolsdorf, Görlitz. Heiter, gedächtnisfreudig, augenzwinkernd und genießerisch. Er ist und bleibt ein ostdeutscher Theatermensch. Er rät, dass man »Sünden, Irrtümer, Ansichten jeglicher Art, die man ein Leben lang mit sich herumschleppt, nicht einfach deshalb ablegen sollte, weil es einem eine andere Gesellschaft nahelegt«. Da spricht der sture Schlesier, da spricht der sanfte Beharrer auf eine Vernunft, die den 3. Oktober 1990 nicht als deren Verfallsdatum anerkennt. Ihm blieb die friedliche Revolution eine Konterrevolution.
»Wir haben in der DDR ein ganz schönes Theater gemacht« - so heißt seine dramaturgische Autobiografie. Erzählungen vom Philosophiestudenten in Jena, der am deutschen Stadttheater landet. Oder abhebt. Senftenberg, Maxim-Gorki-Theater, Halle, Deutsches Theater Berlin. Halle als Höhepunkt! Stolper, den eine unermüdliche Suche nach neuen Stoffen und Stücken zum Dramatiker machte, gelingen dort mit »Zeitgenossen« und »Himmelfahrt zur Erde«, nach sowjetischen Vorlagen, zwei der erfolgreichsten DDR-Bühnenstücke der 70er Jahre. Erzählungen hat er geschrieben, auch Hörspiele (etwa eine großartige Laxness-Adaption) und freundlich bewegte Porträts (»Der Theaterprofessor und andere Käuze«). Dieser Liebhaber von Paustowski und O’Casey: im Mildgemüt doch ein zäher Kämpfer. Nach dem Ende der DDR wird er heimisch in kleinen Links-Verlagen, und zwar nur dort, weil er störrisch bleibt in seiner Zuneigung zu den »Wegsuchern, den Geisteskämpfern, den Ausgestoßenen«, den Kommunisten.
»Weißer Flügel schwarzgerändert« heißt ein Gedichtband von 1982. Für mich sein schönstes Buch. Schon im Titel eine Wahrhaftigkeit, die sich vor keiner Trauer zu retten, zu schützen versucht. Der fliegende Ikarus: das Reine und Unschuldige von Ruß und Realität eingefärbt, aber doch - Flug. An diesem Samstag wird Armin Stolper 85 Jahre alt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.