Rettung der nationalen Ölindustrie

Mexikos Präsident will den Staatskonzern Pemex wieder aufpäppeln und für Benzinautarkie sorgen

  • Andreas Knobloch
  • Lesedauer: 3 Min.

Mexikos staatlicher Ölkonzern Pemex befindet sich in seiner schwersten Krise seit Jahrzehnten. Zuletzt wurden nach Regierungsangaben im Schnitt nur noch 1,625 Millionen Barrel täglich gefördert. Das ist die niedrigste Quote seit 1979.

Zum 81. Jahrestag der Verstaatlichung der mexikanischen Ölreserven stellte Präsident Andrés Manuel López Obrador nun seinen Plan vor, der Pemex wieder auf die Beine helfen soll. Er sieht mehr öffentliche Investitionen, die Ausweitung der Ölbohrungen, die Wiederherstellung bestehender Raffinerien sowie den Bau einer weiteren im Hafen von Dos Bocas im Bundesstaat Tabasco vor. »Wir werden die nationale Ölindustrie retten«, versprach López Obrador. »Wir werden Pemex und Mexiko transformieren.«

Für Mexikos neuen Präsidenten spielt der Energiesektor eine Schlüsselrolle für die Entwicklung des Landes. Bereits im Wahlkampf kündigte er wiederholt die Rücknahme der umstrittenen Energiereform seines Vorgängers Enrique Peña Nieto aus dem Jahr 2014 an, die das 76 Jahre währende staatliche Monopol im Energiesektor beendete und den Staatskonzern Pemex für privates Kapital öffnete. Für López Obrador bedeuten diese Maßnahmen den Ausverkauf der natürlichen Ressourcen des Landes, der die Souveränität Mexikos schwäche.

Der Einstieg privaten Kapitals war und ist höchst umstritten, berührt er doch gewissermaßen den Heiligen Gral nationaler Unabhängigkeit. So jedenfalls eine in Mexiko weit verbreitete Lesart. Im März 1938 hatte der damalige mexikanische Präsident Lázaro Cárdenas alle ausländischen Energiekonzerne enteignet, Erdöl und Erdgas verstaatlicht. Bis zu der von Peña Nieto angestoßenen Reform trauten sich selbst die konservativsten Regierungen nicht, dieses in der Verfassung verankerte Paradigma mexikanischer Energiepolitik anzutasten.

Laut Pemex-Chef Octavio Romero Oropeza begann der Rückgang der Förderung mit der Reduzierung öffentlicher Investitionen durch die Energiereform. Hinzu kommen Korruption und der Benzinraub, der in den vergangenen Jahren gewaltige Ausmaße angenommen und allein 2018 Pemex geschätzte drei Milliarden US-Dollar gekostet hat.

Präsident López Obrador setzt nicht nur auf die Ausweitung der Förderung, sondern auch auf die der Herstellung von Benzin und Diesel in den Raffinerien im Lande. Nach seinen Worten soll Mexiko in drei Jahren in der Produktion von Brennstoffen autark sein. Derzeit importiert das Land täglich 400 000 Barrel Benzin, was etwa 70 Prozent des Gesamtverbrauchs entspricht. »Wir waren in der Produktion von Öl, Benzin und Petrochemikalien autark und wurden durch die neoliberale Politik wieder abhängig«, kritisierte López Obrador.

Es sei gut, »die Selbstversorgung mit Benzin anzustreben, Importe zu reduzieren und mehr Elektrizität zu produzieren, da die Nachfrage wächst«, findet auch Energieexperte Víctor Rodríguez Padilla von der Nationalen Autonomen Universität Mexikos gegenüber der Tageszeitung »La Jornada«. Notwendig sei aber die Entwicklung einer Vision, die über die Erdölförderung hinausgehe und Pemex zu einem Unternehmen mache, das sich mit erneuerbaren Energien befasse.

Er verweist auf europäische Energiekonzerne wie die französische Total oder die britisch-niederländische BP. »Die mexikanische Regierung glaubt immer noch, dass sie mehr Öl produzieren muss.« Doch es müsse eine Energiewende her. Dem Diskurs des Präsidenten fehlt laut Rodríguez Padilla ein »grüner Anstrich mit dem Bewusstsein, dass der Kampf gegen den Klimawandel und die globale Erwärmung ernst ist«. Die mexikanische Regierung versuche, die Produktion zu erhöhen, statt einen langfristigen Plan zu erstellen, der eine Verringerung des Ölverbrauchs festlegt. »Es muss eine langfristige Vision geben, die Erdöl letztlich überwindet.«

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