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Schaden für die Demokratie
Die Debatte über die EU-Urheberrechtsreform hat für Enno Park katastrophale Auswirkungen vor allem auf Jugendliche
Das EU-Parlament hat für eine Urheberrechtsreform gestimmt. Die Auswirkungen sind jedoch erst absehbar, wenn die neue EU-Richtlinie vom Bundestag in nationales Recht überführt wird. Die Reform enthält eine Haftungs- und Lizensierungspflicht für Internetplattformen, welche künftig gezwungen werden, alles, was ihre Nutzer hochladen, mit Upload-Filtern auf Urheberrechtsverstöße zu überprüfen. Es ist davon auszugehen, dass diese Filter eine hohe Fehlerquote haben werden und völlig legale Zitate und Parodien nicht erkennen können.
Das ist aber noch nicht alles. Streng genommen müssen die Plattformen dann Uploads sämtlicher urheberrechtlich geschützter Werke ablehnen, wenn sie in ihren Datenbanken keine gültige Lizenz für den Inhalt finden. Also auch »user generated content« wie zum Beispiel Selfies, Urlaubsbilder oder Fotos vom Gebrauchtwagen, der zum Verkauf angeboten wird. Auch Texte in Diskussionsforen können betroffen sein, schließlich könnte jemand statt eines Diskussionsbeitrages einen Ausschnitt aus einem veröffentlichten Werk irgendwo hochladen.
Enno Park studierte Wirtschaftsinformatik und ist heute als Publizist für mehrere Medien tätig. In seinen Texten beschäftigt er sich u.a. mit den Auswirkungen des digitalen Wandels auf die Gesellschaft bis hin zur Verschmelzung von Mensch und Maschine. Seit einigen Jahren trägt er ein sogenanntes Cochlea-Implantat, mit dem er nach 22 Jahren Gehörlosigkeit wieder hören kann. Er bezeichnet sich selbst als Cyborg und war 2013 einer der Gründer des Cyborgs e.V. in Berlin.
Hinzu kommt ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Das kann den Verlagshäusern höhere Einnahmen bescheren, es sei denn, News-Aggregatoren wie »Google News« schalten ihren Dienst in Europa einfach ab. Falls es zu nennenswerten Einnahmen führt, wird davon bei den eigentlichen Kreativen allenfalls ein geringer Bruchteil ankommen. Dafür müssen sie künftig wieder die Gelder, die von Verwertungsgesellschaften ausgeschüttet werden, mit Medienhäusern und Verlagen teilen. Dass die Reform auch positive Punkte wie bessere Regelungen für Bibliotheken, Universitäten und Archive enthält, ist da nur ein schwacher Trost.
Der Parlamentsabstimmung ging eine beispiellose Lobbyschlacht voraus, in der besonders die Befürworter der Reform mit immer neuen Nebelkerzen, Halbwahrheiten und Falschaussagen die Debatte prägten. Auch einige Medienhäuser trommelten in Zeitungsartikeln und Medienberichten heftig für die Reform und vergaßen darüber bisweilen die objektive Berichterstattung.
Dieser schlechte Stil setzte sich bis in die Parlamentsdebatte fort. Die Berichterstatterin Julia Reda (Piraten) konnte ihre dreiminütige Rede kaum halten, ohne von lautstarken Zwischenrufen aus den Reihen der Befürworter gestört zu werden. Die Versammlungsleiterin musste mehrmals einschreiten und unter anderem dem CDU-Politiker Daniel Caspary das Mikrofon abschalten, als dieser anfing, herumzuschreien, während Jens Rohde von den dänischen Sozialliberalen sie wie ein Schulmädchen duzte.
Unabhängig von ihrem Ergebnis hat diese Debatte die Demokratie in Europa beschädigt. Denn längst ging es nicht nur um eine Reform des Urheberrechtes, sondern die Art und Weise, wie viele Politiker mit Jugendlichen umgehen. Als eine Petition fünf Millionen Unterzeichner fand, wurden diese als »Bots« abgetan, die angeblich von großen Internetkonzernen ferngesteuert werden. Als die Gegner der Reform den Protest auf die Straße trugen, bezeichnete die EU-Kommission sie als »Mob«. Als wenige Tage vor der Abstimmung bis zu 200 000 Menschen gegen die Reform demonstrierten, verbreitete Caspary in der »Bild« Gerüchte, wonach Demonstranten bezahlt worden sein sollen. Das ist eine verschwörungstheoretische Rhetorik, die sonst nur von Rechtspopulisten gegen die Antifa verwendet wird.
Im Politikunterricht lernen Jugendliche, wie der demokratische Prozess funktioniert und dass sie sich als Zivilgesellschaft einbringen sollen. In dieser Debatte lernten sie, dass ihr Engagement nichts wert ist, bestenfalls ignoriert und schlimmstenfalls verächtlich gemacht wird. Eine ganze Generation macht diese Erfahrung gerade nicht nur in Sachen Internet, sondern beispielsweise auch bei den Schulstreiks für eine bessere Klimapolitik. »Dieses Gefühl von Machtlosigkeit wird sie nachhaltig prägen«, sagte Reda im Plenum.
Es steht zu befürchten, dass die machthabenden Politiker gerade dabei sind, eine politik- und parteienverdrossene Generation heranzuzüchten, die zudem noch EU-feindlich eingestellt ist und sich im schlimmsten Fall Populisten zuwendet. Und die ersten Brexiter nehmen diese Abstimmung bereits als Beispiel, warum der EU-Austritt Großbritanniens schnell durchgezogen werden müsse. Mehr Schaden ist kaum vorstellbar.
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