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Nicht im Internetzeitalter angekommen
Meik Michalke von der Verwertungsgesellschaft in Gründung C3S über die EU-Urheberrechtsrichtlinie und ihre Makel
In einem offenen Brief an EU-Parlamentsabgeordnete äußert sich Ihre Initiative C3S kritisch zur Urheberrechtsreform. Lehnen sie die EU-Richtlinie ab?
Also, wir lehnen nicht die Richtlinie als Ganzes ab, das haben wir auch nie so gesagt. Da gibt es sicherlich sehr viele Punkte drin, die tatsächlich eine Verbesserung darstellen.
Die C3S ist eine 2010 gestartete Initiative zur Gründung einer Verwertungsgesellschaft für Musik.
Der vollständige Name, der 2013 gegründeten europäischen Genossenschaft ist "Cultural Commons Collecting Society SCE mit beschränkter Haftung". Es ist Ziel der C3S, durch Verwendung moderner Kommunikationstechnologie eine unkomplizierte Abwicklung bei optimaler Verteilungsgerechtigkeit für Künstler*innen zu ermöglichen.
Neben klassischem Urheberrecht soll durch Unterstützung von Creative-Commons-Lizenzverträgen erstmals Marktgleichheit auch für alternative Lizenzierungskonzepte hergestellt werden. Die C3S will außerdem die Vertretung auch einzelner Werke erlauben. (Quelle: C3S)
Welche sind das?
Zum Beispiel der Zugriff auf Werke in der Bildung oder was die Verfügbarkeit von Werken angeht, die schon vergriffen sind. Dieser soll erleichtert werden. Auch für Urheber*innen enthält die Richtlinie einige Punkte, die eine deutliche Verbesserung darstellen. Zum Beispiel die Verfügbarkeit von Verwertungsstatistiken oder dass man eine angemessene Vergütung nachfordern können soll, wenn sich ein bestehender Vertrag als unangemessen erweist. Das alles sind wichtige Themen. Oder etwa der Umgang mit Werken, die vom Verlag nicht verwertet werden und der Urheber darunter leidet. Ein Ausstieg aus solchen Verträgen soll erleichtert werden. Das größte Problem, was Urheberrechte anbetrifft, sehen wir bei Artikel 12 der EU-Urheberrechtsrichtlinie.
Warum ist Artikel 12 so problematisch?
In diesem Artikel wird eine mögliche Entrechtung der Urheber zugunsten von Verlagen festgelegt. Der Gesetzgeber kann festlegen, dass Verlage direkt zu beteiligen sind, an Geldern, die eigentlich den Urhebern zustehen. Und das stellt unserer Ansicht nach eine Verschärfung der Praxis dar, die früher schon einmal gängig war. Dann kippten erst der Europäische Gerichtshof und dann Bundesgerichtshof diese Praxis. Obwohl dieser Umgang mit Urhebern bereits höchstgerichtlich als Unrecht verurteilt worden ist, soll er mit der Richtlinie wieder eingeführt werden. Das torpediert die positiven Elemente der Reform.
Sehen sie noch weitere Einschränkungen für Urheber*innen über Artikel 12 hinaus?
Es gibt die Möglichkeit, dass es indirekt Nachteile gibt durch die Art und Weise, wie Artikel 13 implementiert wird. Allerdings ist das im Augenblick noch Glaskugelguckerei. Wenn man sich anschaut, wie die Content-Filter bei Youtube in der Vergangenheit schon gearbeitet haben, dann gab es viele Fälle, wo dann zum Beispiel politischen Kampagnen geschadet wurde, dadurch, dass der Filter von Youtube Werke unrechtmäßig als jemandem anders gehörend gelabelt hat und deswegen die Veröffentlichung verhinderte. Das kann unserer Ansicht nach in Zukunft verstärkt passieren. Insbesondere bei Kampagnen, über die medial berichtet wird und der Filter dann annimmt, dass das Werk einem Fernsehsender gehört und es deshalb sperrt. Das kann auch ein Albumrelease treffen. Wir hätten eine gesetzlich geregelte Pauschalabgabe von Portalen besser gefunden, damit hätte man nichts sperren müssen und Urheber wären trotzdem angemessen vergütet worden.
Eine weitere Kritik ihrerseits ist, dass die Richtlinie nicht im Zeitalter des Internets angekommen ist. Was hätten sie sich von der Richtlinie gewünscht?
Es ist ja generell so, dass die Gruppe der Urheber sich durch die Möglichkeiten des Internets ausgeweitet hat. Dass es nicht mehr nur die Berufsurheber gibt, über die man früher gesprochen hat, sondern Urheber heute heißt ja auch, Urheberrechte für die Gruppe, die man früher Prosumer (Anm.: Konsumenten und Produzenten in einer Person) genannt hat. Oder, dass es heute eine niedrigere Schwelle gibt, für Menschen im Internet urheberrechtlich schützenswerte Werke zu veröffentlichen. Die ganze Debatte zum Beispiel über die Verwendung von Memes etwa. In der Richtlinie steht jetzt mehr oder weniger einfach nur drin, die sind okay. Das ist unserer Ansicht nach etwas, was eigentlich breiter diskutiert gehörte.
Wie soll mit diesen Werken, die zum Teil auf bereits bestehenden Werken von anderen Leuten basieren, vor allem Remixe, wie soll mit denen im Internet konkret umgegangen werden? Wer soll einen Verwertungsanteil davon bekommen? Das wäre etwas, das hätte diskutiert werden müssen. Wir haben selbst dazu noch keine klare Position, was das Ergebnis dieser Diskussion sein sollte. Aber, weil sie nicht geführt wurde, ist unserer Ansicht nach hier eine große Chance vertan worden.
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