- Politik
- "Geordnete-Rückkehr-Gesetz"
Bässe gegen Seehofer
In Berlin wollen Aktivisten gegen die Aushöhlung des Asylrechts durch den Innenminister demonstrieren
Für Innenminister Horst Seehofer (CSU) ist die Sache klar: Zu viele Abschiebungen werden in Deutschland verhindert. Das soll sich nun ändern. Dafür hat sein Ressort einen 74 Seiten langen Gesetzentwurf erarbeitet, der euphemistisch »Geordnete-Rückkehr-Gesetz« getauft wurde.
Das Vorhaben soll das Abschiebewesen »effizienter« machen. Behörden sollen es leichter haben, Ausreisepflichtige abzuschieben. Der Entwurf enthält eine Vielzahl von Vorschlägen: Sozialleistungen sollen gekürzt werden, Gewahrsam oder Abschiebehaft soll einfacher möglich werden, es soll mehr Haftplätze geben.
Besonders die »Duldung light« hat es in sich: Wenn Menschen »selbst verschuldet« keine Papiere mehr haben, ihre »Identität fälschen« oder ihre »Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung verweigern«, sollen sie zukünftig von Integrationsangeboten und dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden. Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl nennen das eine »Duldung zweiter Klasse«.
Während die Pläne bei CDU und CSU gut ankommen, sind Aktivist*innen wie Alexandra Nehmer von der Seebrücke kritisch. Sie sagt gegenüber »nd«: »Der Gesetzesentwurf von Seehofer höhlt das Asylrecht aus und untergräbt fundamentale Prinzipien des Rechtsstaates.« Auch auf Unterstützer*innen Geflüchteter würden sich die Regelungen auswirken. Den Termin einer geplanten Abschiebung zu veröffentlichen, könnte bald strafbar sein. Nehmer meint: »Das Ziel ist ganz klar: Wir sollen eingeschüchtert werden und unsere Arbeit soll durch die Androhung rechtlicher Konsequenzen blockiert werden.« Schon lange werde versucht, Engagement für Geflüchtete zu kriminalisieren. »Mit Seehofers Gesetz steuern wir in Richtung autoritärer Staat«, so Nehmer.
Derweil urteilt Christian Rath bei »Legal Tribune Online«: »Die geplanten neuen Strafvorschriften für die Beeinträchtigung von Abschiebungen haben (bei verfassungskonformer Auslegung) unter dem Strich kaum Anwendungsmöglichkeiten und sind deshalb eher dem Bereich der symbolischen Gesetzgebung zuzuordnen.« Laut Rath hat das Innenministerium die Empörung von Medien und Organisationen möglicherweise sogar einkalkuliert, um gegenüber Wähler*innen Tatkraft zu demonstrieren.
Ein breites Bündnis will am Samstag gegen den Gesetzentwurf demonstrieren. Neben der Seebrücke haben Organisationen Geflüchteter, Seenotretter*innen, linksradikale Gruppen und die Omas gegen Rechts den Aufruf unterzeichnet. Mit mindestens sieben Wägen wollen die Aktivist*innen von der Oberbaumbrücke durch Kreuzberg nach Berlin-Mitte ziehen, »dorthin, wo die politisch Verantwortlichen sitzen«. Musikalische Untermalung kommt aus der Berliner Clubszene, die sich bereits seit letztem Sommer zunehmend politisch positioniert. Am Samstag werden DJs von den Wägen der Clubs Mensch Meier und ://about blank die Demonstration beschallen. Die Parole: Seehofer wegbassen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.