Weiblich, jung und links

Eine Umfrage unter Protestierenden der »Fridays For Future«-Bewegung zeigt näheres zu deren Motiven

  • Christopher Wimmer
  • Lesedauer: 4 Min.

Weltweit gingen Jugendliche am 15. März für einen radikalen Kurswechsel hin zu mehr Klimaschutz auf die Straße. Unter dem Motto »Fridays For Future« versammelten sich in europäischen Städten wie Rom, Wien oder Warschau hunderttausende Schüler*innen. Ebenso in Neuseeland, den USA oder Indien. Proteste gab es auch in dutzenden deutschen Städten – die größte Demonstration erlebte Berlin mit rund 20.000 Demonstrierenden.

Schüler*innen: »Es ist unsere Zukunft ihr Arschlöcher«.

Das größte Druckmittel der Schüler*innen ist der Schulstreik – dieser beschert ihnen große Aufmerksamkeit: Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel erwähnte die Proteste als positives Beispiel, Bundespräsident Steinmeier ermutigte die jungen Klimaschützer*innen bei einem Besuch, ihre Demos fortzusetzen. Die Jugendlichen riefen Parolen wie »Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut«. Andere hatten Schilder dabei mit Aufschriften wie »Unsere Erde hat Fieber und das Fieber siegt« oder ganz direkt: »Es ist unsere Zukunft ihr Arschlöcher«.

Lesen Sie auch: »Wozu Abitur ohne Zukunft?« Tausende Schülerinnen und Schüler schwänzen den Unterricht. nd-Paktikantin Meggy Alvim Faria da Silva ist 15 Jahre alt. Sie hat sich die Proteste in Berlin angeschaut.

Doch was genau ist die Motivation der Protestierenden? Forscher*innen der Universität Konstanz kamen zu dem Ergebnis, dass die Schüler*innen vor allem auf die Straße gehen, um ihren politischen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Lediglich zehn Prozent der Befragten gaben an, die Streiks als Gelegenheit zu nutzen, nicht in die Schule zu gehen. 95 Prozent sind davon überzeugt, durch ihr Engagement etwas verändern zu können und mit 83 Prozent ist die überwiegende Mehrheit sogar bereit, Sanktionen wegen des Protests hinzunehmen.

Fridays for Future: Weiblich und links

Dass Schüler*innen von sich aus auf die Straßen gehen, ist ungewöhnlich. Jugendproteste waren bislang meist Sache von Studierenden. Mitarbeiter*innen des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung mischten sich in Berlin und Bremen zur Demonstrationsbeobachtung unter die Schüler*innen, um mehr über die genaue Zusammensetzung der Demonstrierenden und ihre politischen Motive zu erfahren. Laut der Studie sind 57 Prozent der Demonstrierenden weiblich und über die Hälfte ist unter 19 Jahre alt. Knapp 80 Prozent verorten sich politisch als »links« oder »ganz links«. Gegenüber den etablierten Parteien sind die Schüler*innen jedoch skeptisch. Über 40 Prozent geben an, keine Parteipräferenz zu haben, es folgen die Grünen mit 36 Prozent und DIE LINKE mit 12 Prozent. Der Regierungskoalition und auch den Unternehmen werde allgemein nur sehr wenig Lösungskompetenz zugeschrieben, so Prof. Dr. Sabrina Zajak vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung. Viel entscheidender sei, dass der Protest als »eine Art von politischer Selbstermächtigung verstanden« werde. Dies ist besonders bedeutsam, da es bei den Demonstrationen einen hohen Anteil von Schüler*innen gebe, die zum ersten Mal auf die Straße gegangen seien.

Die Jugendlichen seien ganz und gar nicht unpolitisch. Ein wichtiger Weg der Veränderung sei auch die Reflektion der eigenen Lebens- und Konsumpraxis. Diese äußere sie schon längst im Alltag, wie etwa Trends für nachhaltigen Konsum zeigten. Die jungen Menschen der »Fridays For Future«-Bewegung sind der Studie zufolge bereit, zugunsten des Klimas auf Konsum zu verzichten. Etwas mehr als zwei Drittel haben eigenen Angaben zufolge ihre Ernährung angepasst und rund 40 Prozent verzichten der Umfrage nach auf Flugreisen. Theorie und Praxis der Aktivist*innen fällt hier in eins. Die Schüler*innen der »Fridays for Future«-Bewegung scheinen sich also sehr bewusst zu sein, indem was sie tun. Das macht es ihren liberalen und konservativen Kritiker*innen schwerer, sich lediglich mit dem Aspekt des Schulschwänzens zu beschäftigen und es geraten die eigentlichen Inhalte in den Fokus – gut so!

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