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- Militärs in Algerien
Als die Unabhängigkeit mit Waffen erkämpft wurde
Die Allmachtsstellung des algerischen Militärs erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte des Landes
In den vergangenen Wochen wurde in internationalen Medien wiederholt vor der Allmachtsstellung des algerischen Militärs gewarnt: Ob die seit Wochen andauernden Proteste etwas erreichen werden, und wenn ja, was und wann - das hängt an einem seidenen Faden, den das Militär in der Hand hält. So der Tenor. Mit der Forderung des Oberbefehlshabers der algerischen Streitkräfte von vergangener Woche, den alten und kranken Präsidenten Abdelaziz Bouteflika per Verfassungsdekret für amtsunfähig zu erklären, scheinen sich nun diese medialen Warnungen zu bestätigen.
Doch woher kommt der starke Einfluss des Militärs auf sämtliche innenpolitische Angelegenheiten des Landes? Die Demokratische Volksrepublik Algerien ist das Resultat eines langen, für das algerische Volk jedoch erfolgreichen Krieges. Zwischen 1954 und 1962 bekämpften sich das französische Militär und die Nationale Befreiungsfront (FLN). Frankreich spricht heute von etwa 350 000 Todesopfern, Algerien hingegen von circa 1,5 Millionen.
Gegründet wurde die FLN 1954 in Kairo, von dem im Exil lebenden Algerier Ahmed Ben Bella. Dieser diente lange Zeit selbst der französischen Armee und kämpfte unter anderem im Zweiten Weltkrieg. Später verließ er das Militär - aus Protest gegen das Massaker von Sétif, bei dem Tausende Menschen in der algerischen Stadt bei Protesten von französischen Streitkräften umgebracht wurden. Nachdem er seine militärische Laufbahn beendet hatte, begann sich Ben Bella politisch gegen die Kolonialherrschaft zu engagieren, musste jedoch 1952 ins Exil flüchten. Schon 1956, also nur zwei Jahre nach Beginn des Krieges, wurde er von französischen Geheimagenten gefangen genommen und bis 1962 inhaftiert. Als er zurückkehrte, war Algerien ein unabhängiger Staat, und seine FLN hatte diesen Erfolg ermöglicht. Ahmed Ben Bella wurde zum ersten Ministerpräsident, 1963 wurde Abdelaziz Bouteflika, der heutige Präsident, sein Außenminister.
Mit der Unabhängigkeit wurde eine große Zahl bewaffneter Befreiungskämpfer über Nacht integraler Bestandteil des neuen Staates. Viele von ihnen blieben politisch aktiv. Aus der nationalen Befreiungsarmee wurde die nationale Armee, die weiterhin ein hohes Ansehen in der Bevölkerung genoss. Man brauchte zudem ein starkes Militär, um den neuen Staat vor Bedrohungen wie einem potenziellen Rückeroberungsversuch der Franzosen zu schützen. Doch auch der Militärgeheimdienst wandte sich immer mehr den inneren Angelegenheiten zu: In den nächsten Jahrzehnten erlebte der Staat mehrere Machtkämpfe um die politische Führung. Jedes Mal war das Militär involviert. Schon 1965 verdrängte ein Militärputsch, angeführt von Verteidigungsminister Oberst Houari Boumedienne, den Premierminister Ben Bella. Nach seinem Tod wählte die Bevölkerung 1979 Oberst Chadli Bendjedid zum Präsidenten. 1988 wurden dann die Streitkräfte, in Kombination mit der FLN, offiziell entmachtet, indem man auf Druck von Protesten ein Mehrparteiensystem einführte. Ein drohender Sieg der Islamisten bei den ersten freien Wahlen aber brachte das Militär dazu, die Wahlen zu kippen.
Es folgte der Algerische Bürgerkrieg von 1991 bis 2002, eine Zeit, die man in Algerien die »schwarzen Jahre« nennt. Als Abdelaziz Bouteflika, auf Bitte des Militärs, 1999 zur Präsidentschaftswahl kandidierte und siegte, schaffte er es, ein Ende des Bürgerkrieges zwischen islamistischer Opposition und Militär zu verhandeln. Er versuchte sogar, das Verhältnis zwischen Streitkräften und Regierung zu reformieren, indem er im August 2004 neue Oberbefehlshaber ernannte. Doch das Militär und der Geheimdienst, die man wegen ihrer ominösen und trotzdem omnipräsenten Allmachtsstellung im Volksmund als »le pouvoir«, die Macht, bezeichnet, blieb unverändert stark. Wie sich das Militär über diese ganzen Jahre finanziert hat, ist unklar. Dazu veröffentliche es kaum Zahlen. Klar ist, dass es sich immer einen überproportionalen Teil des Staatshaushalts sichern konnten. Im Jahr 2015 waren es circa 15 Milliarden US-Dollar. Bei Gesamtausgaben von 66 Milliarden fast ein Viertel des gesamten Etats.
Aktuell stellt sich das Militär auf die Seite der Demonstranten. Interesse an einer Reform der eigenen Machstruktur haben sie noch nicht geäußert. Dass sie dies tun, gilt als unwahrscheinlich. Zu vermuten ist, dass »die Macht« auch die derzeitige Krise zu nutzen versucht, so wie sie es seit der Staatsgründung tut.
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