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Russischer Bär auf den Hinterbeinen

Moskaus Unterstützung für Venezuela ist richtig, meint Christian Klemm. Putins Außenpolitik bietet dennoch Angriffsfläche.

Wer in den 1990er Jahren in Niedersachsen ein Gymnasium besucht hat, der hat des Öfteren das Wort »Systemkonfrontation« im Geschichts- und Politikunterricht in sein Schreibheft notiert. Damals wie heute versteht man unter diesem etwas sperrigen Begriff die Auseinandersetzung der beiden Großmächte USA und Sowjetunion zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Fall der Mauer 1989. Diese wurde nicht nur in Europa, sondern auch im Globalen Süden ausgetragen. Vor allem in den ehemaligen europäischen Kolonien Afrikas und Asiens haben Washington und Moskau mit harten Bandagen um Macht und Einfluss gerungen.

Auch Lateinamerika stand im Fokus der »Supermächte«. Raketen auf Kuba, Contra-Krieg in Nicaragua, Putsch in Chile, Todesschwadronen in El Salvador und vieles mehr zeugen davon. Doch wer glaubt, all das sei Schnee von gestern, mit dem sich vor allem gelangweilte Oberstufengymnasiasten beschäftigen müssen, liegt falsch. Denn noch heute werden auf dem Subkontinent entweder linke oder rechte Regierungen aus den »Zentren der Macht« großzügig unterstützt. Das beste Beispiel dafür ist die Regierung von Nicolas Maduro in Venezuela.

Als Juan Guaido sich zum Interimspräsidenten des südamerikanischen Landes erklärte, hat ihn Washington innerhalb kürzester Zeit als legitimes Staatsoberhaupt anerkannt. Ein Etappensieg für US-Präsident Donald Trump und seine Falken im Pentagon, die die Genossen aus Caracas lieber heute als morgen vertreiben wollen. Das hat bereits die Administration von George W. Bush versucht - und ist damit auf die Nase gefallen. An dieser Stelle sei an den aus den USA orchestrierten Putschversuch von 2002 erinnert. Für Washington ist vor allem ein freier Zugang zu den venezolanischen Ölreserven von Interesse.

Zwischenzeitlich sah es so aus, als ob diese Contra-Strategie aufginge. Massendemonstrationen fanden beinahe täglich statt - und das nicht nur in der Hauptstadt. Präsident Maduro taumelte am Abgrund. Ein beherzter Schubser, und der Mann hätte sich ernsthaft um seine Ausreise ins Exil kümmern müssen.

Doch Washington hat offenbar die Rechnung ohne den russischen Bären gemacht. Der hat sich auf die Hinterbeine gestellt, um dem Gegner deutlich zu machen, dass er nicht kampflos klein beigeben wird. Der Kreml hält zu Maduro - und das ist auch gut so. Schließlich macht die Regierung in Caracas - bei aller Kritik an dem venezolanischen Staatsmodell - noch immer eine linke Politik.

Russland zeigt zum einen mit dieser Parteinahme, dass es den USA nicht mehr ihren »Hinterhof« zugesteht. Jahrzehntelang gab Washington als eine Art Kolonialmacht in der Region den Ton an. Die Sowjetunion hat diese Hegemonie infrage gestellt. Das heutige Russland macht es ihr nach. Zum anderen verdeutlicht die Lieferung von zum Beispiel Getreide und Arzneimittel aus Moskau nach Venezuela, dass Maduro nicht nur Linke auf seiner Seite weiß, sondern auch Verbündete außerhalb des eigenen politischen Lagers hat. Darunter auch Russland.

Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied zu den Jahren vor vor 1989: Die Sowjetunion unterstützte fortschrittliche Bewegungen auf der ganzen Welt, verfolgte also ein politisches Projekt. Das Russland von heute tut das nicht. Auch wenn einige Linke das anders sehen mögen: Wladimir Putin ist kein Linker. In Moskau wird nach dem »Ende der Geschichte« (Francis Fukuyama) kein zweiten Anlauf auf den Sozialismus versucht. Folglich erfahren nicht nur Linke Unterstützung vom Kreml. Es gab und gibt auch Verbindungen zur früheren Front National in Frankreich (seit Sommer 2018 Rassemblement National), zur FPÖ in Österreich und zur italienischen Lega. Eine politische Richtung ist folglich nicht zu erkennen.

Zuletzt waren in Venezuela zwei Maschinen der russischen Luftwaffe gelandet. An Bord sollen nach Medienberichten rund 100 russische Soldaten sowie 35 Tonnen an Fracht gewesen sein. Was auch immer die Militärs beider Länder ausgetüftelt haben - zumindest aus venezolanischer Sicht ist die Stationierung nachvollziehbar. »Alle Optionen liegen auf dem Tisch«, hat Trump in Richtung Venezuela gerufen. Das schließt ausdrücklich eine Intervention der USA in das Land am Orinoco ein. Es wäre nicht die erste US-Inversion in Lateinamerika (Grenada 1983, Panama 1989/90). Maduro weiß, dass er einen Einmarsch nicht zurückschlagen könnte. Deshalb wäre es töricht, wenn er sich nicht auf solch ein Szenario vorbereite.

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