Frankreichs Verfassungsrat stoppt Demoverbot für Gelbwesten - vorerst

Demonstrationsverbot durch Behörden unzulässig / Elysée will Gesetz überarbeiten

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn Präsident Emmanuel Macron gehofft hatte, durch die Anrufung des Verfassungsrats die Kritik am Gesetz zur Verhinderung von Gewalt bei Demonstrationen zum Schweigen zu bringen, so hat er sich getäuscht. Die Hüter des Grundgesetzes erklärten am vergangenen Donnerstag, der zentrale Paragraf 3 im Gesetz sei »ungeeignet, unangebracht und disproportioniert«.

Dem Text nach sollte dem Präfekten des jeweiligen Departements, der dort für Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu sorgen hat und dem dafür Polizei und Gendarmerie unterstellt sind, das Recht eingeräumt werden, einzelnen Personen die Teilnahme an einer genehmigten Demonstration zu verbieten.

Dafür sollten bereits Hinweise auf Gewalt gegen Personen und Güter bei früheren Demonstrationen oder auf entsprechende aktuelle Absichten ausreichen. Ein solches »administratives« Verbot verletze die im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit wie das Demonstrationsrecht, entschied der Verfassungsrat.

Er kritisierte überdies auch, dass die Begründungen im Gesetzestext »zu vage« sind und dass das Demonstrationsverbot immer gleich für einen Monat gilt. Außerdem soll das Verbot nicht unbedingt im voraus verhängt werden, sondern möglicherweise sogar erst zum Zeitpunkt der Demonstration selbst, so dass die betroffene Person keine Möglichkeit mehr hat, die Justiz anzurufen.

Der von den Medien »Anti-Schläger-Gesetz« genannte Text ging auf eine Gesetzesinitiative der rechten Oppositionspartei der Republikaner zurück, die damit die Empörung in der breiten Öffentlichkeit über die Gewaltakte am Rande der Protestdemonstrationen der Gelbwesten für die eigene Aufwertung ausnutzen wollten.

Macron und seine Regierung griffen diesen Gesetzentwurf auf, ergänzten ihn und brachten ihn im Parlament ein, wo er im Rekordtempo die Kommissionen passierte und im Plenum verabschiedet wurde. In der Debatte haben nicht nur die linken Oppositionsparteien gegen das Gesetz protestiert und bei der Abstimmung dagegen votiert, sondern auch Abgeordnete der Zentrumspartei UDI.

Besonderes Aufsehen erregte ihr Abgeordneter Charles de Courson, der das Gesetz in der Parlamentsdebatte ein »juristisches Monster« nannte und in Anspielung auf die Kollaboration 1940 bis 1944 erklärte: »Man glaubt sich in die Zeit von Vichy zurückversetzt!«.

Aus der Fraktion von Macrons Bewegung En marche wurde bekannt, dass etwa 50 Abgeordnete Bedenken hatten, doch mehr als eine Stimmenthaltung wagten diese »Dissidenten« nicht. Massive Proteste gab es in der Öffentlichkeit und vor allem durch Menschenrechtsorganisationen.

Doch all das konnte den Siegeszug des Anti-Schläger-Gesetzes nicht bremsen. Den hielt nun erst der Verfassungsrat auf. Aus der Präsidialkanzlei im Elysée verlautete wortkarg, man nehme den Spruch des Rates »zur Kenntnis«. Hinter den Kulissen wird schon eifrig daran gearbeitet, den Paragrafen 3 »nachzubessern«, um das Gesetz dadurch zu retten und möglichst bald in Kraft setzen zu können.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!