Nichts zu lachen

Politik-Herausgeber der »FAZ«, Berthold Kohler, hält Komik für ein Instrument sich über den Pöbel zu erheben.

  • Tim Wolff
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Politik-Herausgeber der »FAZ«, Berthold Kohler, schreibt regelmäßig eine Glosse. Sie heißt »Fraktur« und ist so etwas, für das eine Redaktion sich heimlich schämt - aber was soll man tun, es ist halt das Kind des Chefs! Kohler hält Komik für das, was entsteht, wenn man kenntnisreich herumassoziiert; also etwas, über das in der Menschheitsgeschichte exakt null Mal gelacht wurde, dafür umso häufiger schmunzelnd genickt von guten Bürgern, die in Wissen wie Komik Instrumente sehen, sich über den Pöbel zu erheben.

»In Japan beginnt nun bald das Zeitalter der Ordnung, des Friedens und der Harmonie, also eine Phase der fürchterlichen Langweile. Da verfolgen wir doch lieber weiter das wahrhaft tolle Geschehen in Little Britain.« Das hat miteinander zu tun, weil Japan und Großbritannien Länder sind. Lustig. »Wegen des großen Erfolgs beim einheimischen wie europäischen Publikum muss die Brexit-Show schon wieder verlängert werden.« Weil »Brexit« nicht schon dämlich genug ist, muss ihn Kohler wie Hunderte seiner Kollegen, die nicht eine Million fürs Publizieren bekommen, als Show bezeichnen. »Schwärzerer Humor und eine professionellere Darbietung desselben sind weltweit nicht zu finden ... Verglichen mit dieser Screwball-Tragödie, ist selbst die Kultserie ›Yes Minister‹ aus den Achtzigern eine matte Sache. Es versteht sich doch hoffentlich von selbst, dass das Unterhaus ehrenhalber den Titel ›Monty Python’s Flying Circus‹ verliehen bekommen sollte, sobald sein Dachschaden behoben ist.« Uff. Aber wenn gerade altgediente Komiker herbeizitiert werden: »Mein Gott, ist das beziehungsreich, ich glaub’, ich übergeb’ mich gleich« (R. Gernhardt).

Kohler türmt weiter auf: »Der Clown im Weißen Haus hat zwar nicht den zartbitteren After-Eight-Humor eines Jacob Rees-Mogg, trägt seine Sketche aber ebenfalls bierernst vor.« Kann man da noch die Ukraine reinbringen, dort passiert doch auch was mit Politik und Komikern? »Insbesondere Trumps Auftritte mit Wladimir Putin scheinen die Ukrainer derart beeindruckt zu haben, dass sie nun sogar einen gelernten Komiker in die Stichwahl gegen ihren Präsidenten Poroschenko schicken.« Toll!

Wo will Kohler eigentlich hin? Natürlich in das Land, für das er Zeitung macht: »Dass der Herrgott auch den Humor ungleichmäßig auf der Welt verteilt hat, zeigt sich leider nicht zuletzt in der deutschen Politik.« Denn: »Wie kläglich nimmt sich dagegen die Klage Jan Böhmermanns gegen die Bundeskanzlerin aus.« Kläglich, Klage - clever! »Das ist für einen Komiker, der die Regel ›Alles ist erlaubt‹ bis zum letzten Kalauer verteidigen müsste, ein ziemlich schlechter Witz.« Schon ist man dort, wohin man immer gelangt, wenn Deutsche komisch werden oder über Komik urteilen oder sonst was tun: bei der Herstellung von Ordnung.

Der Vorwurf, ein TV-Moderator überschreite seine Befugnisse, wenn er wissen will, ob die Kanzlerin ihre überschritten habe, ist die Herstellung der Hierarchie, die ein Kohler braucht, um kalauernd nach unten zu treten. Das tatsächlich Klägliche, für alle Beteiligte, ist, dass damit Böhmermann das Grundgesetz wichtiger ist als dem Herausgeber für Deutschland. Das verlangt Strafe: »Man will sich gar nicht ausmalen, wie zum Beispiel eine Zusammenkunft eines Kanzlers Böhmermann mit dem türkischen Staatspräsidenten verliefe. Denn Erdogan versteht, wenn es um Kritik an seinen Aufführungen geht, so wenig Spaß wie Böhmermann selbst.« Doch, genau das will sich Berthold ausmalen - und es ist klar, zu wem er hält: zu dem, der ohne verfassungsrechtliche Bedenken wegsperrt.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.