Das Bankgeheimnis soll geschützt werden

Der Whistleblower Rudolf Elmer erzählt, warum die Schweizer Justiz gegen die Cum-Ex-Whistleblower vorgeht

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 5 Min.

Sie standen als Whistleblower schon mehrfach in der Schweiz vor Gericht. Nun verfolgen Sie den Prozess gegen Eckart Seith und die beiden Whistleblower aus der Bank J. Safra Sarasin. Fühlen Sie sich an Ihre eigenen Verfahren erinnert?

Auf jeden Fall. Es sind die gleichen Richter, die gleichen Staatsanwälte und insbesondere das gleiche Prozedere. Die drei Angeklagten werden wie ich kein faires Verfahren haben. Die Staatsanwaltschaft sucht nur nach belastenden Umständen und nicht mit gleicher Sorgfalt nach entlastenden Umständen, was sie eigentlich nach Schweizer Strafprozessordnung müsste. Wenn sie verliert, wird sie das ganze Verfahren bis hinauf zum Bundesgericht hochziehen.

Rudolf Elmer
Der Schweizer Wirtschaftsprüfer arbeitete einst auf den Kaimaninseln für die Privatbank Julius Bär. Bekannt wurde Elmer, weil er illegale Geschäftspraktiken seines ehemaligen Arbeitgebers offenlegte. Jetzt verfolgt er den Cum-Ex-Prozess gegen Eckart Seith und zwei weitere Whistleblower.

Ihr Verfahren ging damals auch über drei Instanzen bis zum Schweizer Bundesgericht ...

Korrekt. Das Bundesgericht hat zudem das 14-jährige Verfahren teilweise wieder ans Zürcher Obergericht zur Neubeurteilung zurückgewiesen. Bei meinem ersten Prozess dachten zuerst alle Zuhörer im Gerichtssaal, dass ich freigesprochen werde, denn die Staatsanwaltschaft konnte kein einziges Schweizer Bankkonto vorlegen, das ich offenbarte. Doch dann wurde ich trotzdem wegen angeblicher Nötigung, Drohung und Verletzung des Bankgeheimnisses zu einer Geldstrafe und zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Zwar wurde ich letztlich betreffend Bankgeheimnisverletzung vom Bundesgericht freigesprochen, aber auch nur, weil die Richter endlich einsahen, dass ich nicht in der Schweizer Zentrale der Bank Julius Bär angestellt war, sondern in der Schwestergesellschaft auf den Kaimaninseln und das Bankgeheimnis nicht extra-territorial angewendet werden kann. Deswegen galt das Schweizer Bankgeheimnis nicht für mich, und viel wichtiger ist, dass richterlich bestimmt wurde, dass das Bankgeheimnis nur auf dem Territorium der Schweiz Gültigkeit hat. Eine massive Einschränkung, die nun auch die Kundschaft der Banken irritiert und verunsichert, weil zum Beispiel ein Cayman Trust mit einem Schweizer Bankkonto nur noch bis an die Landesgrenze der Schweiz geschützt ist. Die Kontodaten müssen jedoch zwingend nach Kaiman, Jersey oder andere Steueroasen gesandt werden, um die Buchhaltung zu führen und Entscheidungen dort durch den Treuhänder (Trustee) zu fällen.

Geht es auch in dem Cum-Ex-Prozess letztlich um das Bankgeheimnis?

Natürlich. Es geht nicht um die drei Angeklagten. Die haben moralisch das einzig Richtige getan. Es geht darum, das Bankgeheimnis zu schützen, und darum, dass niemand auf die Idee kommt, Informationen von Schweizer Banken jemandem von außerhalb der Schweiz zur Verfügung zu stellen - auch wenn schwere Straftaten damit aufgedeckt werden. Denn Whistleblowing ist eine »tödliche« Gefahr für die Schweizer Finanzindustrie. Und die ist in der Schweiz immer noch sehr mächtig. Deshalb ist die Strafjustiz dazu verdammt, das Bankgeheimnis mit allen erdenklichen Mitteln zu schützen, das heißt, die Deutschen auch der schweren nachrichtlichen Wirtschaftsspionage anzuklagen.

In den vergangen Jahren wurde das Strafmaß für Verstöße gegen das Bankgeheimnis in der Schweiz auch erhöht ...

Als ich meine Daten öffentlich machte, drohten für den Verstoß gegen das Schweizer Bankgeheimnis noch maximal sechs Monate Gefängnis, dann wurde es zunächst auf maximal drei Jahre und eine Geldbuße von höchstens 250 000 Schweizer Franken verschärft. Jetzt drohen einem dafür maximal fünf Jahre Haft. Auf den britischen Jungferninseln sind es sogar 20 Jahre. Mit anderen Worten: Hier geht es um den Schutz von oft zweifelhaften Geheimnissen mit einem »kriminellen« Gesetz, dem Bankgeheimnis, weil dies immer noch eine Money-Making-Machine für die Wirtschaft des Landes ist.

Gleichzeitig hat die Schweiz im Jahr 2015 einem Abkommen mit der EU zum automatischen Informationsaustausch von Steuerdaten zugestimmt. Hat sich bei dem Thema nicht auch etwas zum Positiven geändert?

Entschuldigen Sie, wenn ich so direkt bin: Aber das können Sie gleich vergessen. Der Austausch funktioniert nur, wenn Sie mit Ihrem eigenen Namen ein Konto in der Schweiz eröffnen und trifft nur »Kleinkunden«. Wenn Sie stattdessen einen Strohmann auf den Bahamas einsetzen oder andere Konstrukte wie Trusts und Offshore-Gesellschaften mit Inhaberaktien aufsetzen, um zu verschleiern, dass Sie der Eigentümer des Vermögens sind, dann greift der Datenaustausch schon nicht mehr. Der wirtschaftlich Berechtigte ist mit einem solchen Konstrukt wasserdicht verdunkelt und nicht mehr feststellbar für die Steuerbehörden. Das wird so gemacht, damit gewisse superreiche Kunden und multinationale Konzerne den Schweizer Banken treu bleiben. Diese Offshore-Konstrukte haben übrigens in den letzten Jahren massiv zugenommen.

Wieder zurück zum Verfahren gegen Seith und Co.: Immerhin hat das Gericht Ihnen im Falle der Urteilsverkündung freies Geleit zugesichert. Ist das nicht ein Indiz dafür, dass es nicht zu Haftstrafen kommen wird?

Ganz und gar nicht. Die haben freies Geleit bekommen, weil man den Prozess gegen sie führen und der Öffentlichkeit zeigen will, dass man sie verurteilt beziehungsweise mindestens hart herannimmt, sollte es keine Verurteilung geben, was ich nicht glaube. Es geht einzig und allein um Abschreckung. Es darf eben nicht sein, dass Informationen aus in der Schweiz beheimateten Banken nach draußen gelangen und im Ausland damit Rechtsverletzungen aufgedeckt werden. In der Schweiz ein Finanzverbrechen aufzudecken, ist ein Kapitalverbrechen, wenn man das Strafmaß anschaut. Das ist leider die Realität.

Aber gibt es dagegen keinen Widerstand in der Schweizer Öffentlichkeit? Wie wird der Prozess aufgenommen?

Besonders in der schweizerischen Öffentlichkeit ist der Prozess leider nicht. Man versucht, das Ding herunterzuspielen und wenig Publizität zu verursachen.

Ist also kein Wandel in Sicht?

Nein, nicht wirklich. Der Druck müsste von außen kommen und in diesem konkreten Fall von Deutschland. Wie ihn die USA ab 2008 aufgebaut haben, damit die Politik und die Justiz dem Austausch von Steuerdaten zustimmten. Die Schweiz wird nicht aus eigenem Antrieb heraus und schon gar nicht Whistleblower im privaten Bereich rechtlich besser stellen, um folglich indirekt damit das Bankgeheimnis aufweichen. Dafür ist die Mehrheit des Schweizer Parlaments moralisch gesehen viel zu korrupt.

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