Werbung

Rechtsextremes Netzwerk im Visier

Razzia in vier Bundesländern gegen mutmaßliche kriminelle Vereinigung in Cottbus

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit großem Aufgebot ist die Polizei am Mittwoch gegen ein von der rechtsextremen Hooliganszene dominiertes Netzwerk im Raum Cottbus vorgegangen. Vom frühen Morgen an durchsuchten Einsatzkräfte in Brandenburg, aber auch in Berlin und den Nachbarländern Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern unter anderem Büros, Wohnungen und Läden von insgesamt 20 Personen. Entsprechende Informationen des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) bestätigte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Brandenburgs dem »neuen deutschand«.

Nach Angaben des Sprechers vollzogen die Ermittler bei dieser Aktion, die bis in die Mittagsstunden andauerte, bislang insgesamt 30 vom Amtsgericht Cottbus erlassene Durchsuchungsbeschlüsse. Der Hintergrund seien Ermittlungen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Haftbefehle seien zunächst nicht ausgestellt worden, und es habe auch keine Festnahmen gegeben. Erst nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen und der Auswertung der Durchsuchungen würden Polizei und Innenministerium am Donnerstag in Potsdam gemeinsam über Verlauf und Ergebnisse der Aktion informieren.

Nach rbb-Angaben wurden allein in Brandenburg mehr als 30 Objekte um Cottbus, aber auch in Frankfurt (Oder) durchsucht. Betroffen seien auch Berlin, Görlitz (Sachsen) und Kühlungsborn an der Ostseeküste gewesen. Einige der 20 betroffenen Personen würden konkret beschuldigt, eine kriminelle Vereinigung gegründet haben. Das entsprechende Verfahren laufe bereits seit April 2018.

Das Netzwerk wird nach Informationen der Redaktion »rbb24 Recherche« von Rechtsextremisten, Kampfsportlern und Fußball-Hooligans gebildet, die sich mit organisierten Kriminellen verbunden haben sollen. Auch die Ausschreitungen in Chemnitz seien unter anderen auf Aktivitäten dieses Netzwerks zurückzuführen. »Die Verbindungen der Gruppe sollen auch ins Ausland reichen, vor allem nach Polen«, heißt es. Informanten hätten von kriminellen Machenschaften der Szene über den lokalen Rahmen hinaus berichtet. »Das läuft europaweit. Nach Frankreich, nach Russland. Auch in die polnische Hooligan- und Nationalisten-Szene. Und bei denen geht total viel in Richtung organisierte Kriminalität. Türsteherszene, Prostitution, Drogenhan᠆del«, zitiert rbb24 einen von ihnen.

Konkret werde den Beschuldigten der Verstoß gegen insgesamt 50 Straftatbestände vorgeworfen. Dabei gehe es unter anderem um Delikte wie Bedrohung, Körperverletzung, illegalen Waffenbesitz, Steuerhinterziehung.

Der Sender vermutet, dass die rechtextreme Hooligan-Formation »Inferno Cottbus« den Kern des Netzwerks bildet. »Inferno« hatte sich 2017 formal aufgelöst, um einem drohenden Verbot zuvorzukommen. Nach Erkenntnissen von »rbb24 Recherche« dominierten deren Aktivisten noch immer die Fan-Szene des Fußballvereins Energie Cottbus, sie seien nach wie vor tief verankert in der rechtsextremistischen Szene der Stadt und der Region. Dazu gehören auch Teile des Sicherheitsgewerbes, Musiklabels und Bekleidungsläden. Aus all dem habe sich in Cottbus ein florierender Wirtschaftszweig gebildet.

Das bestätigte auch der Publizist Robert Claus, der die Cottbuser Fan-Szene seit langem beobachtet. Er habe schon lange mit einer derartigen Reaktion des Staates gerechnet, sagte er dem »nd«. »Wir reden in Cottbus von etwas, das der brandenburgische Verfassungsschutz als ›toxisches Gebilde‹ bezeichnet«, so Claus. »Dieses Netzwerk geht über klassische Hooligan-Strukturen weit hinaus und umfasst vor allem auch ein eigenes Geschäftsnetz mit Bekleidungsläden der Rocker- und Kampfsportszene.« Dass sich ein solches Netzwerk über Jahre aufbauen konnte, sei in Deutschland nahezu einzigartig. »Das aufzulösen, ist keine einfache Aufgabe. Dabei kommt es auf das Zusammenspiel von strafrechtlicher Intervention von staatlicher Seite und präventiver Fan-Arbeit an.« Der Fußballverein suche immerhin nach dem richtigen Konzept, mit dem verhindert werden kann, dass gerade junge Fans in die rechte Szene abrutschen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.