Das Ende von Sudans Präsident al-Baschir

Demonstranten jubeln: »Das Regime ist gefallen« / Militär geht vor öffentlicher Ankündigung offenbar gegen Regierung vor

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Khartum. Ob Sudans Präsident Omar al-Baschir zurückgetreten ist oder vom Militär abgesetzt wird ist nicht ganz klar. Doch die Zeichen verdichten sich, dass die Herrschaft von Sudans Präsident Omar al-Baschir ein Ende hat. Er sei zurückgetreten, meldet die Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstagmorgen unter Berufung auf Quellen in der Regierung der afrikanischen Landes und einem Provinzminister. Laut Reuters wird nun über die Einsetzung eines Rates verhandelt, der übergangsweise die Regierungsgeschäfte in Sudan führen soll.

Meldungen aus Sudans Hauptstadt Khartum legen aber nahe, dass der Rücktritt von Omar al-Baschir nicht freiwillig, sondern von der Armee erzwungen war. Laut Augenzeugen und Journalisten haben Soldaten der Armee am Donnerstagmorgen das Hauptquartier von al-Baschirs Partei in Khartum durchsucht, außerdem wurden offenbar Brüder des Präsidenten und sein Assistent sowie ehemalige Ölminister Awad al-Jaz in Gewahrsam genommen. Scheinbar wurden auch Häftlinge aus einem Regierungsgefängnis befreit, auch ein Oppositionspolitiker wurde scheinbar aus einem Gefängnis befreit. Derweil versammeln sich nach Informationen eines BBC-Reporters und Videos auf dem Kurznachrichtendienst Twitter an mehreren Orten in Khartum Menschen, die das Ende des Regimes feiern. Ihre Parole: »Das Regime ist gefallen«. Offenbar kam es in der Stadt auch zu Schusswechseln.

Gleichzeitig zeigen Bilder aus der Stadt Demonstranten und Soldaten, die friedlich und anscheinend wenig konfrontativ nebeneinanderstehen. Eine wichtige Gruppe unter den Demonstranten, die »Allianz für Freiheit und Wandel«, rief die Demonstranten laut BBC dazu auf, Ruhe zu bewahren und die Militärs nicht anzugreifen. Die »Assoziation von Berufstätigen«, die ebenfalls eine wichtige Rolle bei den Protesten spielt, rief dazu auf weiter zu protestieren und Sit-Ins abzuhalten. Das sudanesische Volk werde nur eine zivile Übergangsregierung akzeptieren, die Armeeführung müsse die Macht ans Volk übergeben.

Die sudanesische Armee hat nach wochenlangen Anti-Regierungs-Protesten einem staatlichen Radiosender zufolge eine »wichtige Erklärung« angekündigt. Weitere Einzelheiten waren am Donnerstagmorgen zunächst nicht bekannt, weil sich die Erklärung um Stunden verzögerte. Am Donnerstagmittag spielte das Regierungsradio lange Zeit zunächst nur Militärmusik. Allein die Ankündigung weckte aber Erwartungen, dass das Militär die Proteste gegen Präsident Omar Hasan al-Baschir und die Rücktrittsforderungen ansprechen wird und dass sich nach dessen 30 Jahre langer Herrschaft möglicherweise ein Machtwechsel abzeichnet.

Ein Verband sudanesischer Fachleute rief zudem am Donnerstag die Menschen dazu auf, erneut an einer Sitzblockade vor der Zentrale der Streitkräfte der Hauptstadt Khartum teilzunehmen und zu protestieren. Etliche Menschen waren am Donnerstagmorgen auf der Straße und feierten, wie ein dpa-Reporter berichtete. Sie riefen Parolen wie, »endlich werden wir das Al-Baschir-Regime los«. Mehrere Augenzeugen bestätigten demnach zudem, dass einige Brücken in Richtung Innenstadt von Khartum geschlossen waren.

Seit Monaten demonstrieren Zehntausende Menschen gegen den autoritären Staatschef Al-Baschir, der das Land im Nordosten Afrikas seit drei Jahrzehnten mit harter Hand regiert. Ausgelöst wurden die Demonstrationen durch die schwere Wirtschaftskrise, in der sich der Sudan seit Jahren befindet. Doch die Proteste richteten sich zunehmend gegen den 75 Jahre alten Präsidenten selbst.

Dieser versuchte zunächst gegenzusteuern: Im Februar verhängte Al-Baschir einen Ausnahmezustand, löste seine Regierung und die der Bundesstaaten auf und erklärte, er würde als Chef der Regierungspartei zurücktreten. Dies entschärfte die Lage aber nicht.

Die Proteste spitzten sich seit dem Wochenende zu, Tausende Menschen versammelten sich täglich zu einer Sitzblockade vor der Zentrale der Streitkräfte, die auch gleichzeitig die Residenz von Al-Baschir ist. Sicherheitskräfte gingen teilweise mit scharfer Munition vor und töteten einem Ärzteverband zufolge mindestens 21 Menschen. Dabei stellten sich Angaben aus Khartum zufolge auch Teile der Streitkräfte auf die Seite der Demonstranten und lieferten sich Schusswechsel mit Sicherheitskräften. Agenturen/nd

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