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Früher war mehr Substanz
Christoph Ruf über Medienkritik aus dem Fußball und Trainer, die mal Katheterbeutel wechseln sollten
Es gibt diesen recht treffenden Cartoon, in dem sich ein Mann in eine Frau am anderen Ende des Tresens verguckt und sich überlegt, wie er sie ansprechen könne. Woraufhin er ein paar Möglichkeiten verwirft: »Na, wie geht’s ? ... Zu doof!«, »Nette Kneipe hier, oder? (...)« Nein!, »Na, allein hier?« Zu plump! Nachdem er ein paar weitere Optionen verworfen hat, seufzt er und starrt resigniert in sein Glas. Worauf ein weiterer Mann an die Bar kommt und einen freundlichen Blick der besagten Frau erntet, als er die allererste Frage stellt, die auch unserem Protagonisten in den Sinn gekommen war. »Na, wie geht’s?...«
Mir geht es ähnlich wie dem unentschlossenen Grübler am Tresen, zumindest bei der Berufsausübung, wenn nach den Spielen ein paar Fußballer zu den Journalisten in die Interviewzone kommen und irgendjemand die erste Frage stellen muss. »Zufrieden mit dem Ergebnis?«, »Verdienter Sieg, oder?«, »Wie hast du das Spiel gesehen?«: alles doof, aber alles ganz okay als Gesprächsanfang. Man fragt ja seinen Sitznachbarn im Zug auch nicht im ersten Satz, was er für den Sinn des Lebens halte.
Schrecklich wird es allerdings, wenn beim Frage-Antwort-Spiel nach den 90 Minuten der Spieler und nicht der Journalist die dämlichsten Sätze raushaut. Es passiert schon mal, dass man »Wir denken von Spiel zu Spiel« hört und mit schweren Krämpfen zu Boden sinkt. Wie es auch von Bremen bis Burghausen nicht allzu viele Kollegen geben dürfte, die ihren Kugelschreiber bemühen, wenn ihnen gegenüber wieder jemand steht, der »alles raushauen«, respektive »in die Waagschale« werfen will, oder die Dinge mal in aller Ruhe »unter der Woche analysieren« will. Neuerdings hören Spieler auch nicht mehr zu, wenn der Trainer etwas sagt. Sie »saugen es auf.«
Sowohl die Interviewzone als auch die Spieltagspressekonferenzen sind voll von diesen Floskeln. Aussagen, die es wert sind, weitergegeben zu werden, sind rar gesät. Und wenn sie doch mal fallen, sind die meist schon über die Onlineformate der Vereine selbst in die Welt herausgetragen, ehe tags darauf die lokale Tageszeitung erscheint. Früher war mehr Substanz, heißt es deswegen im Kollegenkreis, wenn es um die Zusammenarbeit zwischen den Vereinen und den Medien geht. Das liegt natürlich auch an einer Boulevardisierung weiter Teile der Medienlandschaft. Trainer und Manager, die sich darüber aufregen, haben Recht.
Doch zuletzt wurden Journalisten von Trainern aus ganz anderen Gründen kritisiert, also nicht, weil sie Fragen gestellt hatten, die ins Private überlappten. Gladbachs Dieter Hecking, eigentlich ein ebenso seriöser wie professioneller Vertreter seiner Zunft, verlor die Fassung, weil ihm eine Frage zur Nichtberücksichtigung eines Spielers nicht gefiel. Herthas Pal Dardai, weil er den Berliner Journalisten Schadenfreude nach vier Niederlagen in Folge unterstellte. Über die beiden Fälle kann man übrigens diskutieren, nicht aber über die Einlassungen von Huub Stevens, seit jeher einer der größten Branchen-Prolls, der einen Kollegen vom »kicker« anfuhr, obwohl der eine völlig sachliche Frage gestellt hatte: »Hör auf! Ich antworte dir nicht mehr! Weg! Du bist lächerlich!« Gut argumentiert, prima Rhetorik, Huub wie er leibt und lebt.
Nun kann ich es absolut nachvollziehen, dass man als Trainer am liebsten fluchend wegrennen würde, wenn die eigene Mannschaft solch eine Grütze spielt wie Schalke das seit Monaten tut. Einfach ab ins Auto und weg, anstatt der Medienmeute die unangenehmen Fragen nach dem Wie und Warum zu beantworten. Nur dass eine Krankenschwester eben auch manchmal lieber früher Feierabend hätte, als zum 37. Mal zur Klingel zu gehen, wenn der verwirrte 90-Jährige in Zimmer 11 mal wieder einen schlechten Tag hat. Und wahrscheinlich verursacht es auch Andreas Scheuer Mühe und Pein, wenn er zum 100. Mal gegenüber einem Journalisten das Offensichtliche abstreiten muss: dass es egal ist, wer unter der Autoindustrie im Kabinett sitzt.
Es wäre also eine praktische Sache, wenn all die Diven und Mimosen im Fußball sich einfach mal überlegen würden, was genau zu ihrem Beruf gehört, für den sie ja nicht so schlecht bezahlt werden. Huub Stevens dürfte schließlich defensiv geschätzt das Hundertfache einer Krankenschwester verdienen. Wenn er meint, es sei eine Zumutung, fünf Minuten lang ein paar Fragen zu beantworten, kann er ansonsten ja mal ein paar Katheterbeutel wechseln.
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