Der vorerst letzte seiner Art

Der größte Windpark vor der deutschen Ostseeküste geht diesen Dienstag offiziell in Betrieb

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 4 Min.

Großer Bahnhof diesen Dienstag in Sassnitz-Mukran auf Rügen: Zum offiziellen Start des Offshore-Windparks Arkona haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig (SPD), angekündigt. Auch Norwegens Energieminister Kjell-Børge Freiberg und der französische Umweltminister François de Rugy sollen zugesagt haben.

Beim erwarteten Drücken roter Buttons werden viele schöne Worte zum Thema Energiewende und Klimaschutz fallen. Die Kanzlerin selbst ließ es sich nicht nehmen, in ihrem jüngsten Podcast das bereits Bekannte zu bekräftigen: dass die Bundesregierung bis zum Jahresende die »rechtlichen Rahmenbedingungen« dafür setzen wolle, um das Klimaziel für 2030 zu erreichen. Mit ihrem Besuch auf Rügen wolle sie deutlich machen, wie sehr ihr am Ausbau der Erneuerbaren gelegen sei.

Tatsächlich aber wird der Windpark Arkona für einige Zeit der letzte seiner Art sein, der vor den deutschen Küsten in Betrieb geht. Seit dem Baubeginn 2016 ließen der Essener Energiekonzern E.on und der norwegische Gas- und Ölkonzern Statoil, heute Equinor, mit einem Aufwand von 1,2 Milliarden Euro 35 Kilometer nordöstlich von Rügen insgesamt 60 Windräder in den Meeresboden rammen. Schon seit September 2018 speist Arkona bis zu 385 Megawatt Windstrom ins Netz ein.

Das Projekt ist durchaus umstritten. So erscheint der Standort Arkona aus Sicht des Naturschutzbundes Nabu ungeeignet. Der Windpark liege direkt zwischen den Schutzgebieten »Adlergrund« und »Westliche Rönnebank«, die beide für ihre Riffe und Schweinswalvorkommen bekannt sind. Auch innerhalb des Windparks Arkona selbst wurden großräumige Riffe nachgewiesen. »Werden Riffe durch einen Windpark überbaut, gehen sie dauerhaft verloren«, betont Anne Böhnke-Henrichs, Meeresschutzexpertin beim Nabu. »Zwar argumentieren Windparkbetreiber häufig, dass ihre Anlagen rasch von Organismen besiedelt würden und damit ein künstliches Riff darstellten.« Naturschutzfachlich sei das aber abzulehnen, »da hier künstliches Material besiedelt wird, das zudem strukturarm ist«, sagt die Expertin. Der Nabu hält darüber hinaus den ökologischen Zustand der Ostsee für so schlecht, dass das Binnenmeer vom weiteren Ausbau der Offshore-Windenergie ausgenommen werden sollte.

Mit der Inbetriebnahme von Arkona steigt die installierte Windkraftkapazität in der deutschen Ostsee auf knapp über 1000 Megawatt, in der deutschen Nordsee sind es derzeit rund 5300 Megawatt. Damit ist die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für die Offshore-Windenergie als Ziel bestimmte Gesamtkapazität von 6500 Megawatt so gut wie erreicht.

Für 2030 werden bisher auf See 15 000 Megawatt avisiert. Wie die erreicht werden sollen, steht allerdings auf ziemlich wackligen Fundamenten. In den jüngsten Ausschreibungen 2017 und 2018 wurden Projekte mit zusammen 3100 Megawatt in der Nord- und Ostsee auf den Weg gebracht. Sie sollen alle spätestens 2025 in Betrieb gehen. Dann beträgt die Offshore-Kapazität aber erst knapp 11 000 Megawatt. Es fehlen also über 4000 Megawatt zum 2030er Ziel.

Auch das ist, wie die Windbranche anmerkt, noch viel zu wenig, wenn die Bundesregierung ihr Vorhaben umsetzen will, im Jahr 2030 65 Prozent erneuerbare Quellen im Strommix zu haben. Dazu müssten dann mindestens 20 000 Megawatt in Nord- und Ostsee installiert sein. Zumindest wirtschaftlich scheint dies machbar, weil schon einige große Offshore-Projekte in den 2020er Jahren ganz ohne EEG-Zuschüsse auskommen wollen.

E.on und Equinor müssen sich über die künftigen Einnahmen aus dem Windpark Arkona nicht so sehr den Kopf zerbrechen. Ihr Projekt lief noch nicht über Ausschreibungen, sondern wurde klassisch nach alten EEG-Konditionen genehmigt. Die Betreiber entschieden sich dabei für das sogenannte Stauchungsmodell. Dabei erhält der Windpark in den ersten acht Jahren eine Förderung von 19,4 Cent je Kilowattstunde - normalerweise gibt es 15,4 Cent in den ersten zwölf Jahren. Weil der Arkona-Windpark aber mehr als zwölf Seemeilen von der Küste entfernt ist und auch in größerer Wassertiefe als 20 Meter errichtet wurde, können sich E.on und Equinor nach den acht Jahren weitere sechs Jahre lang an einem Zuschuss von 15,4 Cent erfreuen. Erst ab dem 15. Jahr - also weit nach 2030 - sinkt die auf 20 Jahre angelegte EEG-Förderung auf 3,9 Cent je Kilowattstunde.

Wie viel davon wirklich in den Kassen der Betreiber klingelt, hängt allerdings vom Börsenstrompreis und anderen Faktoren ab, denn Offshore-Windparks befinden sich in der sogenannten Direktvermarktung. Auch um Abregelungen, durch die zeitweise kein Strom abgenommen wird, kommt man nicht gänzlich herum. Weil Arkona aber am Hochspannungsnetz hängt, hofft E.on, von Netzengpässen weniger betroffen zu sein als zum Beispiel Windkraft an Land. Und bis 2030 sollen ja auch einige der großen Trassen, die Windstrom aus dem Norden in den Süden bringen, fertiggestellt sein. Das jedenfalls ist auch der Kanzlerin Wille.

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