- Kultur
- Serie: Merz gegen Merz
Grünkohl und Verachtung
Rosenkrieg mit boshaftem Humor: Christoph Maria Herbst und Annette Frier als »Merz gegen Merz«
Nein, das wird nichts mehr mit den beiden. Gut sei nie gut genug, klagt Erik Merz in der Paarberatung über seine Frau, denn »wenn sie ihr’n Einhorn schenken, will sie’n Zweihorn«, was Anne mit fortgesetzter »Hirnfinsternis« ihres Gatten kontert, der erst reden würde, wenn »sein Grips zu 100 Prozent verdeckt ist«. So beginnt das neueste Format in einer epischen Reihe von Fiktionen, die 1966 mit dem (privat fortgesetzten) Ehekrieg Richard Burtons vs. Elizabeth Taylor in »Wer hat Angst vor Virginia Woolf« ihren Anfang nahm und 45 Jahre später bei Polanskis »Gott des Gemetzels« Station machte.
Damals wie heute wird auch bei »Merz gegen Merz« von der ersten Seriensekunde an klar: Das Zerwürfnis dieser Lebenspartner auf Zeit kann keine Paartherapeutin kitten. »Wann hat das angefangen, dass Sie aufgehört haben, sich zu lieben?«, fragt Frau Heller ihre Klienten, und als Anne »Was heißt aufgehört?« zurückfragt, gefolgt von Eriks »Was heißt angefangen?«, wird nicht nur deutlich, was für hervorragende Streitschauspieler Annette Frier und Christoph Maria Herbst sind, sondern mehr noch: wozu die beiden in der Lage sind, wenn das Drehbuch vom »Stromberg«-Autor Ralf Husmann stammt.
Die achtteilige Eskalation, verteilt auf vier vierzigminütige Doppelfolgen, überzeugt schließlich mit Dialogen, die unter der Regie von Jan Markus Linhof (»Pastewka«) fast jede/n Schauspieler/in zu Höchstleistungen triebe. Erst das perfekt getimte Minenspiel von Herbst und Frier macht die Abwärtsspirale der Zuneigung jedoch zur Aufwärtsspirale des Fernsehhumors in angemessen abgedrehter Atmosphäre. Denn die Merzens sind natürlich nicht einfach Langzeitverheiratete mit sexuell erwachendem Sohn; sie arbeiten auch noch gemeinsam im Unternehmen von Annes Vater, der infolge seiner Demenzerkrankung statt seiner Tochter den Schwiegersohn zum Geschäftsführer macht, was das Zerwürfnis der beiden auch wegen Eriks proletarisch peinlichen Eltern auf ein demographisch-kulturelles Genderplateau hievt.
Wie die drei grundverschiedenen, tendenziell pragmatisch vereinigten Paare ihre Leben mit- und gegeneinander austarieren, ist zwar manchmal leicht überinszeniert. Männliche Alzheimerwitze sind schließlich ebenso wie weibliche Auspark- oder Berliner Schwabenwitze vielfach ein bisschen wohlfeil. Bei der unversiegbaren Schlagfertigkeit aller Kombattanten (»an guten Tagen ist Anne wie Erdbeereis, an schlechten wie aufgewärmtes Essen«) raschelt zudem oft Husmanns Drehbuchpapier. Und dass Lena Dörrie als Mediatorin Heller Bleistiftrock zu Highheels trägt, ist dem Salonsexismus öffentlich-rechtlicher Mainstreamproduktionen, aber gewiss nicht der sozialtherapeutischen Wirklichkeit geschuldet.
Darüber hinaus allerdings sorgt das Hin und Her von Zu- und Abneigung, dieser andauernde Machtkampf des verletzten Stolzes mit Restbeständen vergangener Herzenswärme für einen Sog, den mit so viel boshaftem Humor zuletzt vermutlich Kathleen Turner und Michael Douglas vor 30 Jahren in »Der Rosenkrieg« erzeugt haben. Dafür sind auch Bernd Stegemann und Carmen-Maja Antoni nebst Michael Wittenborn plus Claudia Rieschel als vermittelnde (Schwieger-)Eltern verantwortlich, die sich gegenseitig mit Grünkohl und Verachtung bedenken, das Ränkespiel des grassierenden Wahnsinns also ihrerseits mit großer Hingabe bereichern. Wenn man sich jetzt noch den ewigen Bernd Stromberg aus jeder Fernsehsekunde Christoph Maria Herbst wegdenken könnte, wäre »Merz gegen Merz« richtig eigensinniges Fernsehen.
»Merz gegen Merz« , ZDF
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