Arm wie Italien

Studie stellt extreme Einkommensunterschiede zwischen deutschen Gemeinden fest

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Eigentlich steht es im Grundgesetz klar und deutlich geschrieben: Die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse soll gewahrt werden. Doch klafft die materielle Basis weit auseinander. Und vor allem: Auch fast 30 Jahre nach der Wende sind die verfügbaren Einkommen im Osten meist weitaus geringer als im Westen. Wie eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt, beträgt das durchschnittliche verfügbare Einkommen in nur sechs von 77 ostdeutschen Landkreisen und kreisfreien Städten mehr als 20.000 Euro pro Jahr. In den 324 westdeutschen Kreisen und Städten ist dies in 284 Fällen so. Dabei ist das verfügbare Einkommen jenes Einkommen, das die Menschen nach Steuern, Sozialabgaben und Sozialtransfer zur Verfügung haben

Zwar habe der Osten aufgeholt - zwischen 2000 und 2016 stiegen die verfügbaren Einkommen im Osten bereinigt um die Inflationsrate 13,5 Prozent, während es im gesamtdeutschen Durchschnitt 12,3 Prozent waren, erklärt Studienautor Eric Seils. »Doch ist das Strukturproblem seit Anfang der 1990er Jahre das gleiche geblieben.«

So führte die schnelle Einführung der D-Mark und das Eins-zu-eins-Umtauschverhältnis mit der alten DDR-Mark laut Seils zu einer De- industrialisierung des Ostens, weil es den Betrieben über Nacht die Wettbewerbsfähigkeit nahm. »Das hat die Industrie damals weggefegt«, so Seils. Die Folgen sind bekannt: Massenarbeitslosigkeit in den 1990er Jahren, viele junge Menschen wanderten seitdem ab. Zudem hat keiner der im DAX 30 gelisteten größten deutschen Konzerne seinen Sitz in einem der neuen Bundesländer, was wiederum negative Folgen für das Lohnniveau hat. Folglich liegt das verfügbare Einkommen im Osten noch im Jahr 2016 lediglich bei knapp 85 Prozent des Westniveaus.

Dies spiegelt sich auch in dem Vermögen wider, das die Menschen ansparen. Laut der Bundesbank hatten die Menschen im Osten zuletzt im Mittel 110 400 Euro an Immobilien, Bankguthaben und Sachvermögen auf der hohen Kante. Im Westen waren es fast drei Mal so viel. Ein Grund dafür ist, dass die Menschen in den neuen Bundesländern seltener Immobilien besitzen. Dort lebt jeder dritte Haushalt in den eigenen vier Wänden, in den alten Bundesländern ist es fast jeder zweite.

Dennoch will Seils den Eindruck vermeiden, dass es nur im Osten einkommensschwache Regionen gebe. Zum Beispiel auch das Ruhrgebiet hat seit Langem mit Strukturproblemen zu kämpfen. So ist Gelsenkirchen mit einem durchschnittlichen verfügbaren Einkommen 16 203 Euro die ärmste Gemeinde Deutschlands, gefolgt von Duisburg mit 16 881 Euro. Auf den Plätzen drei, vier und fünf folgen jedoch wieder drei ostdeutsche Städte und Kreise: Halle (17 218 Euro), der Landkreis Vorpommern-Greifswald (17 303 Euro) und Frankfurt/Oder (17 381 Euro). In diesen fünf Städten ist das Einkommensniveau mit dem Italiens oder Korsikas vergleichbar.

Wer hingegen wissen will, wo man am reichsten ist in Deutschland, der muss nach Bayern oder Baden-Württemberg fahren. Mit einem durchschnittlichen verfügbaren Einkommen von 34 987 pro Jahr ist der Landkreis Starnberg im Münchner Einzugsgebiet am reichsten. Auf Platz zwei ist Heilbronn im Norden Baden-Württembergs (32 366 Euro). Auf Platz drei befindet sich der hessische Hochtaunuskreis nahe der Bankenmetropole Frankfurt am Main. Besonders viel Geld zur Verfügung hat man auch in der bayrischen Landeshauptstadt München und dem angrenzenden gleichnamigen Landkreis.

Allerdings variieren die Einkommen in Bayern je nach Landkreis besonders stark. So hat man in Augsburg mit 19 203 Euro nur etwas mehr als die Hälfte zur Verfügung als im superreichen Starnberg. Zum Vergleich: In Mecklenburg-Vorpommern beträgt der maximale Einkommensunterschied zwischen den Landkreisen weniger als 2000 Euro. Im Landkreis Rostock, wo die Menschen innerhalb des nordöstlichen Bundeslandes noch am besten verdienen, hat man pro Jahr 19 236 Euro zur Verfügung, während es in der Stadt Rostock, der ärmsten Gemeinde des Bundeslandes, 17 771 Euro sind.

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Dass die Kluft zwischen armen und reichen Kreisen in Bayern so weit auseinander geht, liegt Seils zufolge vermutlich daran, dass Bayern ein relativ großes Bundesland ist. Es verfügt über 96 Kreise, während Mecklenburg-Vorpommern lediglich acht hat.

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