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Bald nur sechs Tage die Woche

Berlin-Mitte will Spätverkaufsstellen stärker kontrollieren – andere Bezirke machen das nicht

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.
»Jedes Bier der Welt im 10-Meter-Kühlschrank. 24/7, von früh bis späti. Häng am Späti, häng am Späti«, textete Rapper MC Fitti 2013. Viele Berliner*innen sehen das ähnlich.
Ginge es nach dem grünen Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel, müssen die beliebten Kultläden dort künftig jedoch am Sonntag – wie gesetzlich bereits vorgeschrieben – geschlossen bleiben. Bisher öffnen viele Spätis, trotz des Ladenschlussgesetzes, auch am Sonntag. Sie sind an diesem Tag fast konkurrenzlos und machen deswegen häufig den besten Umsatz der Woche.

»Am Sonntag zu? Das wäre die totale Katastrophe für uns!«, sagte Ridwan, der in einem Späti an der Ecke Brückenstraße/Köpenicker Straße arbeitet und seinen Nachnamen lieber nicht in der Zeitung lesen will.

Trotz Kritik verteidigte von Dassel seinen Vorstoß zur verstärkten Kontrolle von Spätis am Freitag. Besonders an den »Hot-Spots« des Bezirks werde in der Nacht von Samstag auf Sonntag extrem viel Alkohol ausgeschenkt. Als Beispiele nannte von Dassel die Gegend rund um den Rosenthaler Platz, sowie Alexander- und Leopoldplatz und die Köpenicker Straße. Dort befinden sich mit dem Tresor, dem Sage und dem KitKat gleich drei Clubs, sowie ein Hostel mit 1400 Betten. Die Anzahl der Spätshops habe sich dort innerhalb von drei Jahren verdoppelt, andere Gewerbe seien verdrängt worden, sagte von Dassel.
»Es gibt ja immer Themen, die bei den einen oder anderen Schnappatmung auslösen«, so der Bezirksbürgermeister. Aber es gebe nun einmal das Berliner Ladenschlussgesetz, das eine Sonntagsöffnung der Spätis verbiete. »Und solange wir die Regeln haben, werden wir die Regeln auch durchsetzen müssen.«

Da sich bisher aber kaum jemand an das Gesetz halte, sollen die Arbeitszeiten für die Mitarbeiter*innen des Ordnungsamtes nun bis 24 Uhr verlängert werden. Bisher sei für die rund 50 Mitarbeiter*innen um 22 Uhr Dienstschluss. Auch das Personal in den Ordnungsämtern wolle man in Zukunft stärken.

Bei ver.di begrüßte man den Vorstoß des Bezirksbürgermeisters indes: »Es geht um nichts mehr als die Einhaltung der geltenden Gesetze. Seit Jahren werden die gesetzlichen Vorgaben umgangen. Warum sollte für Spätis etwas anderes gelten als für alle anderen Läden in Berlin?«, erklärte Pressesprecher Andreas Splanemann »nd«.

In den sozialen Medien hagelte es derweil Kritik, auch aus von Dassels eigener Partei. Silke Gebel, Fraktionschefin der Berliner Grünen, schrieb auf Twitter: »Ich finde es falsch, die Spätis wegzukontrollieren. Sie gehören zu Berlin. Und ich wohne selber über einem der 13 Spätis am Rosenthaler Platz und freue mich jedes Mal über meine netten Nachbarn.«
Auch der Bezirksbürgermeister von Neukölln, Martin Hikel (SPD), teilt die Auffassung seines Kollegen aus Mitte nicht. Bei den Spätis in seinem Bezirk werde bereits seit einigen Jahren darauf geachtet, ob sie am Sonntag geöffnet haben, sagte Hikel. Eine flächendeckende Kontrolle sei jedoch nicht möglich.

Trotz aller Aufregung um das »Berliner Kulturgut«, Späti-Verkäufer Ridwan zeigt sich gelassen: »Die Leute sind ja nicht dumm. Sie werden Lösungen finden: integrierte Backshops zum Beispiel«.

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