Armutsregion Offenbach

Pro-Kopf-Einkommen in der Industriestadt in Hessen niedriger als zu Beginn des Jahrzehnts

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Besonders im Fokus der Studie »Verfügbare Haushaltseinkommen im regionalen Vergleich« steht die alte Industriestadt Offenbach, die an die Bankenmetropole Frankfurt am Main angrenzt und mit 127.000 Einwohnern kleinste Großstadt im Sechs-Millionen-Land Hessen ist. »Offenbach hat sich von einem durchschnittlichen Kreis in eine der ärmsten Regionen Deutschlands verwandelt«, so ein markanter Satz der Studie. Hier sind die verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen, ein wichtiger Indikator für die allgemeine Wohlstandsentwicklung, seit der Jahrtausendwende um 8,7 Prozent gefallen. Die Offenbacher haben heute real mit einem Durchschnittsbetrag von 17.687 Euro etwa so viel zur Verfügung für den privaten Konsum oder als Rücklage zum Sparen wie die Einwohner in Bremerhaven, Brandenburg an der Havel oder im thüringischen Kyffhäuserkreis.

Offenbach gehört zu den bundesweit 33 von 401 Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen die realen Durchschnittseinkommen heute niedriger sind als zu Beginn des letzten Jahrzehnts. Bundesweit ist der Durchschnittswert hingegen um 9,7 Prozent gestiegen. Ein Blick auf den nordwestlich von Frankfurt gelegenen Hochtaunuskreis verdeutlicht den Kontrast. Hier im »Speckgürtel« des Rhein-Main-Gebiets liegt das durchschnittliche verfügbare Einkommen bei 31.612 Euro, also um knapp 80 Prozent höher als im hessischen »Armenhaus« Offenbach. Selbst der unter Bevölkerungsschwund leidende Landkreis Werra-Meißner im Nordosten Hessens liegt mit 19.785 Euro noch deutlich über dem Offenbacher Niveau.

Einst war Offenbach Zentrum der deutschen Lederindustrie. Doch von mehreren hundert Betrieben der Branche in früheren Zeiten ist nur noch rund ein Dutzend übrig geblieben. Dieses Schicksal teilt die Stadt mit dem pfälzischen Pirmasens, das einst als Hochburg der Schuhindustrie galt und heute jede Menge leerer Fabrikgebäude aufweist. Stetige Deindustrialisierung hat in Offenbach über die Jahrzehnte bis zum heutigen Tag auch in anderen Branchen namhafte Betriebe vernichtet. Ein Ende des Niedergangs ist nicht abzusehen. Letztes Glied einer langen Kette ist der Seifenhersteller Kappus, wo die anstehende Schließung 80 Beschäftigte trifft. Gewerbeansiedlungen können den Verlust nicht ausgleichen, zumal viele der neu gegründeten Kleinunternehmen der Kreativwirtschaft keine Jobs für entlassene Industriearbeiter anbieten. Dass Offenbach im bundesweiten Vergleich das geringste Lohngefälle zwischen Männern und Frauen aufweist, dürfte vor allem der Tatsache geschuldet sein, dass beide Geschlechter am ehesten in schlecht bezahlten Dienstleistungsjobs unterkommen. Gleichzeitig drücken steigende Mieten stark auf den Lebensstandard. Während die Bestandsmieten laut Mietspiegel zwischen neun und elf Euro pro Quadratmeter liegen, verlangen viele Immobilieneigentümer bei Neuvermietungen zwischen 15 und 16 Euro.

Die industrielle Abwärtsentwicklung zehrt auch an der finanziellen Basis der Stadt, die unter Druck der Kommunalaufsicht beim Regierungspräsidium (RP) Darmstadt steht. Der Zwang, unter ungünstigen Bedingungen einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, hat Offenbach den höchsten Grundsteuersatz im bundesweiten Vergleich und die Privatisierung eines kommunalen Krankenhauses »beschert«. Während die SPD in ihrer einstigen Hochburg nach wie vor den direkt gewählten Oberbürgermeister stellt, ist ein Block aus CDU, Grünen, FDP, Freien Wählern und Piraten im Rathaus tonangebend.

»Es gibt nichts mehr zu kürzen«, sagt der Stadtverordnete Sven Malsy (LINKE) und verweist darauf, dass bei den »freiwilligen Ausgaben« besonders stark gekürzt worden sei. So habe die Stadt längst kein eigenes kommunales Schwimmbad mehr und bezuschusse stattdessen eine von einem Schwimmverein betriebene Anlage. Wegen Mietkosten von rund 10.000 Euro jährlich habe die Stadt unter dem Druck des RP ein Büro für soziale Arbeit und Betreuung in einem von großer Armut geprägten Stadtviertel schließen müssen, beklagt Malsy. Wer bei einem Bewerbungsschreiben bestimmte Straßen als Wohnsitz angebe, werde von den Arbeitgebern schon allein deshalb aussortiert und bleibe chancenlos, so der Kommunalpolitiker.

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