- Politik
- AfD und 1. Mai
Kampftag der Arbeiter von rechts vereinnahmt
Gleich in mehreren ostdeutschen Städten will die AfD den 1. Mai als Startschuss für den anlaufenden Landtagswahlkampf nutzen
Björn Höcke ist dafür bekannt, auch in innerparteilichen Auseinandersetzungen hart auszuteilen. In den letzten Monaten bemühte sich der führende Vertreter des völkisch-nationalistischen Flügels um Mäßigung - schließlich steckt die Partei in wichtigen Wahlkämpfen. Auch für den Chef der AfD Thüringen geht es um viel. Im Freistaat wird am 27. Oktober gewählt, in Brandenburg und Sachsen knapp zwei Monate vorher, am 1. September. In allen drei Bundesländern geben Weggefährten Höckes den Ton an. Schneidet die Partei bei den Wahlen stark ab, würde der völkische Flügel seinen Einfluss in der gesamten Partei weiter ausbauen.
Gute Ergebnisse sind für Höcke auch wichtig, weil die Partei in der zweiten Jahreshälfte mehrere wichtige Richtungsentscheidungen für ihre weitere Entwicklung treffen wird. Neben der Neuwahl des Parteivorstandes, bei der nicht klar ist, ob Jörg Meuthen als auch Alexander Gauland noch einmal als Vorsitzende kandidieren, will die AfD auf einem Programmparteitag über ihre Sozial-, Arbeits- und Rentenpolitik diskutieren. Bisher vertritt sie in ihrem Grundsatzprogramm noch weitestgehend marktradikale Forderungen aus der Ära unter Parteichef Bernd Lucke, oftmals fehlt es sogar an konkreten Forderungen. Die Vorstellungen des völkischen Flügels stehen im diametralen Widerspruch zur bisher offiziellen Linie: Statt weniger Staat, wie ihn etwa Parteichef Jörg Meuthen propagiert, fordert Höcke dessen Ausbau.
In einem Interview mit dem völkischen Haus- und Hofmagazin »Sezession« gab sich der Thüringer AfD-Chef im März ganz auf der bisherigen Parteilinie. Fast versöhnlich erklärte er: »Wenn wir mehr das Soziale betonen und die Liberalen mehr das Marktwirtschaftliche, so wollen wir beide eine soziale Marktwirtschaft. Die unterschiedlichen Akzente kann man bei den länderspezifischen Wahlkämpfen berücksichtigen.« Im Landtagswahlkampf mag dies gut klingen, in der Praxis weiß aber auch Höcke, dass viele der Themen letztlich nicht auf Landes-, sondern auf Bundesebene politisch entschieden werden.
Ihre Wahlkämpfe richten die drei Ostlandesverbände dennoch stark auf soziale Themen aus. So warnt etwa die Thüringer AfD vor einer »weiteren Verelendung der ländlichen Räume« und prangert die Lohnentwicklung im Osten als »gefährlichen sozialen Sprengstoff« an. Stichworte, wie sie die Wähler auch von der LINKEN kennen. Deren Strategie, besonders am 1. Mai mit ihren arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Forderungen zu werben, hat die AfD schon in den letzten Jahren kopiert, im Zuge der Landtagswahlen den Aufwand aber noch einmal erhöht. Dabei sollen Kundgebungen rund um den Feiertag nur ein Auftakt für einen »Blauen Frühling« sein, wie die Rechtsaußenpartei ihre Kampagne bezeichnet.
Den größten Aufmarsch soll es am 1. Mai in Erfurt geben, wobei die Planungen inzwischen kleiner ausfallen. Wurde noch zu Jahresbeginn eine Zahl von bis zu 10 000 Teilnehmenden verbreitet, sind die Planungen nun auf etwa 2000 geschrumpft. Neben Höcke soll in Erfurt auch Parteichef Gauland auftreten. Der Co-Vorsitzende Meuthen wird zum »Kampftag der Arbeiterklasse«, wie die Partei eine Veranstaltung in Magdeburg bewirbt, erwartet. Aufmärsche soll es am Mittwoch auch in Cottbus, Chemnitz und Eisleben geben. In allen Städten mobilisieren zivigesellschaftliche Bündnisse zu Gegenprotesten, teilweise sind Blockaden geplant.
Dass die AfD ihre Kräfte ganz auf den Osten konzentriert, zeigt sich daran, dass in den westlichen Bundesländern keine großen Veranstaltungen geplant sind, nicht einmal in Bremen, wo am 26. Mai eine neue Bürgerschaft gewählt wird. Einzig Guido Reil, Kandidat zur Europawahl auf Listenplatz zwei, will wieder einmal provozieren. Das Ex-SPD-Mitglied möchte sich an einer Demonstration des DGB in Essen beteiligen. Vergangenes Jahr hatte die Polizei Reil in Gewahrsam genommen, nachdem er sich einem Platzverweis widersetzt hatte.
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