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Gegen das Vergessen

Almuth Schult gewinnt mit Wolfsburgs Fußballerinnen den Pokal und kritisiert den DFB

  • Frank Hellmann, Köln
  • Lesedauer: 4 Min.

Es kommt nicht oft vor, dass sich eine Fußballerin einfach auf einen freien Stuhl während einer Pressekonferenz setzt, eine halb volle Flasche Bier in der Hand hält und ihrem eigenen Trainer eine freche Frage stellt. »Herr Lerch, wie ist denn der weitere Abend geplant?« Torhüterin Almuth Schult brachte den Coach der erfolgsverwöhnten Fußballerinnen des VfL Wolfsburg damit nur kurz in Verlegenheit. Pflichtschuldig verwies Stefan Lerch darauf, dass seine Spielerinnen doch Profis seien und noch mindestens ein wichtiges Pflichtspiel gewinnen müssen. Nach dem DFB-Pokalfinale gegen den SC Freiburg (1:0) soll bitte gleich die Meisterschaft in der Bundesliga folgen. Es wäre das dritte Double hintereinander für die Titelsammlerinnen aus der Autostadt, die national dem Rest im deutschen Frauenfußball eine lange Nase drehen.

Ein Auswärtssieg bei der TSG Hoffenheim am Sonntag reicht, um die nächste Sause zu starten. Doch es wird ein viel, viel kleinerer Rahmen im Kraichgau. Am Feiertag pilgerten in Köln immerhin 17.048 Zuschauer ins Stadion. Angelockt vom guten Wetter und einem bunten Rahmenprogramm, bei dem sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wirklich alle Mühe gab. »Eine tolle Kulisse«, lobte auch Schult, deswegen käme auch nach dem fünften Pokalsieg in Folge keine Gewohnheit auf. »Das ist jedes Mal etwas Besonderes.«

Für die 28-Jährige war es wichtig, dass sie sich im prestigeträchtigen Endspiel in starker Verfassung präsentierte. »Intern gibt es bei uns keine Torwartdiskussion. Wenn Almuth topfit ist, performt sie auch«, stellte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg klar. Mit ihrer Kardinalkritik in einem FAZ-Interview hatte die zuletzt nicht fehlerlose Nationaltorhüterin sich selbst unter Druck gesetzt. Der Frauenfußball werde von Öffentlichkeit, Verband und teilweise den Vereinen immer noch stiefmütterlich behandelt, sagte Schult. Die Spielerinnen bekämen seit der Umstrukturierung mit, »wie im DFB in frauenfußballfernen Bereichen über uns gedacht wird. Wie sollen wir denn draußen Vorurteile und Vorbehalte gegenüber dem Frauenfußball abbauen, wenn wir im eigenen Verband noch damit zu kämpfen haben?«

Auch in der Vermarktung seien die Möglichkeiten gerade im WM-Jahr nicht ausgeschöpft worden. »Oft werden wir Frauen einfach vergessen.« Als weiteres abschreckendes Beispiel nannte sie eine mehr als ärgerliche Terminierung für das WM-Auftaktmatch der deutschen Frauen in Rennes am 8. Juni gegen China auf die unattraktive Anstoßzeit 15.00 Uhr. Grund: Am selben Tag steigt das EM-Qualifikationsspiel der deutschen Männer in Bealrus, zur besten Sendezeit: 20.45 Uhr. »Es ist traurig, dass es so ist.«

Trist ist auch der Alltag für die Fußballerinnen in der Bundesliga, der Zuschauerschnitt liegt aktuell nur noch bei rund 800. Das meiste Interesse bringt der designierte Doublegewinner VfL Wolfsburg (1683) auf, es folgen die reinen Frauenfußballvereine Turbine Potsdam (1356) und 1. FFC Frankfurt (1236) - die allerdings sportlich mit den finanziell besser ausgestatteten Lizenzvereinen unter dem Männerdach nicht mehr mithalten können. Bezeichnend: Selbst der FC Bayern (626) generiert keine vierstellige Zuschauerzahl. Das Halbfinale in der Champions League gegen einen so namhaften Gegner wie den FC Barcelona trugen die Münchner Fußballerinnen auf dem Bayern-Campus aus, dessen Kapazität bei 2500 Plätzen arg limitiert ist. Selbst bei Auftritten des Nationalteams ist das Interesse rückläufig - zu den jüngsten Länderspielen in Erfurt gegen Spanien und in Paderborn gegen Japan kamen keine 5000 Besucher.

Kürzlich bei der Tagung der Kommission Frauen-Bundesliga in Frankfurt am Main soll es intensive Debatten gegeben haben. Die Ligasprecher Siegfried Dietrich vom 1. FFC Frankfurt, Ralf Kellermann vom VfL Wolfsburg und Ralf Zwanziger aus Hoffenheim, Sohn des ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger, wollen nun bessere Perspektiven ausloten. »Wir sollten wachsam sein«, sagt auch Freiburgs Managerin Birgit Bauer, »aber ein Patentrezept habe ich aus dem Stegreif auch nicht.« Sie hat ja auch ganz andere Sorgen: Mit Giulia Gwinn wechselt nicht nur ein weiteres im Schwarzwald ausgebildetes Toptalent zum FC Bayern, sondern mit Jens Scheuer verliert der Sportclub auch noch seinen Trainer an die Münchnerinnen. Ob die Konzentration der Kräfte auf bald nur noch zwei Vereine - Wolfsburg und Bayern - hilfreich ist, den schleichenden Bedeutungsverlust zu bekämpfen?

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