Kühnert will die SPD erneuern

Der Juso-Chef verteidigt seine Gedanken zur Enteignung von Konzernen

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Berlin. Im Streit um seine Sozialismus-Thesen hat Juso-Chef Kevin Kühnert nachgelegt und die SPD aufgefordert, die von ihm angestoßene Debatte offensiv zu führen. »Ich habe keine Lust mehr darauf, dass wir wesentliche Fragen immer nur dann diskutieren, wenn gerade Friedenszeiten sind, und im Wahlkampf drum herumreden«, sagte Kühnert dem »Spiegel«. Wenn man ernsthaft einen anderen Politikstil wolle, »dann können wir uns nicht immer auf die Zunge beißen, wenn es um die wirklich großen Fragen geht«.

»Ich habe das sehr ernst gemeint, was ich formuliert habe«, sagte Kühnert. Der Kapitalismus sei »in viel zu viele Lebensbereiche vorgedrungen: So können wir auf keinen Fall weitermachen.«

Lesen Sie hier den Kommentar: Rebellischer Moment - Kevin Kühnerts Forderungen nach Kollektivierung. Von Aert van Riel

Kühnert, der Vorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation, hatte zuvor in einem Interview mit der »Zeit« zum Thema Sozialismus gesagt, dass er für eine Kollektivierung großer Unternehmen »auf demokratischem Wege« eintrete: »Mir ist weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW «staatlicher Automobilbetrieb» steht oder «genossenschaftlicher Automobilbetrieb» oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht.«

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Kritik an Kühnerts Ideen kam nun auch vom Industrieverband BDI. »Unausgegorene Ideen für eine sozialistische Wirtschafts- und Gesellschaftsform verlieren sich im Nebel aus unbestimmten Wünschen und Rezepten von gestern«, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, der Deutschen Presse-Agentur.

»Wer so redet, ignoriert die komplexen Herausforderungen von Digitalisierung und wirtschaftlichem Wettbewerb, denen sich unsere Unternehmen im Alltag stellen müssen«, sagte Lang. Dazu gehöre die Kenntnis, wie sich realistisch Wohlstand, Wachstum und Fortschritt sichern ließen. »Die Kollektivierung von Unternehmen und andere planwirtschaftliche Methoden würden die Triebkräfte erfolgreichen Wirtschaftens sofort abwürgen.«

Lang sagte aber zugleich: »Soziale Marktwirtschaft ist mehr als nur eine leere Hülle und muss gelebt werden.« In der sozialen Marktwirtschaft gehörten Freiheit und Verantwortung zusammen.

Für seine Aussagen musste Kühnert teils heftige Kritik einstecken, auch aus der eigenen Partei. »Die empörten Reaktionen zeigen doch, wie eng mittlerweile die Grenzen des Vorstellbaren geworden sind«, sagte er nun dem »Spiegel«. »Da haben 25 Jahre neoliberaler Beschallung ganz klar ihre Spuren hinterlassen.«

Vorsichtige Unterstützung aus der SPD

SPD-Vize Ralf Stegner nahm Kühnert in Schutz und sprach von einem »Sturm im Wasserglas«. Er stimme nicht allen Thesen zu, aber ein Juso-Vorsitzender dürfe auch »mal radikaler formulieren«, sagte Stegner im Deutschlandfunk. Kühnert habe über »politische Utopien« gesprochen und auch klargemacht, dass es um demokratischen Sozialismus gehe. Im Übrigen habe er sich ja mit Missständen etwa im Bereich Wohnen auseinandergesetzt.

Zuspruch bekam Kühnert auch von der Linkspartei. Außerdem werden zunehmend Stimmen in der SPD laut, die ihn gegen Kritik in Schutz nehmen. So sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Donnerstag in der rbb-Sendung »Talk aus Berlin«: »Die Aufregung um diese Äußerung von Kühnert zeigt, dass er die richtige Frage gestellt hat. Nämlich die Frage nach der Verteilung von Einkommen.«

Der Vorsitzende der einflussreichen nordrhein-westfälischen SPD, Sebastian Hartmann, sagte dem »Spiegel«, die Debatte müsse aufgenommen werden. »Wir brauchen ein grundlegend neues Wirtschaftsmodell.« Der ungeregelte Markt sei »unser Gegner«. »Ungleichheit ist der Sprengstoff unserer Zeit.«

Auch die Bielefelder Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar, Mitglied im SPD-Bundesvorstand, lobte Kühnert: »Wenn wir glaubhaft von Erneuerung sprechen wollen, müssen wir über den Widerspruch von Arbeit und Kapital reden.« Seit Jahren erstarke der Neoliberalismus und wachse die Ungleichheit zwischen Arm und Reich: »Da kann sich die SPD nicht mit dem Status quo zufriedengeben.« Agenturen/nd

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